Mittwoch, 3. Mai 2017

"Auf Poesie ist die Sicherheit der Throne gegründet"

Das wussten die preußischen Reformer vor 200 Jahren

1837 vertonte der Lieder-Komponist Carl Loewe das Lied "Fridericus Rex, unser König und Herr", hier 1998 sang es in dem beistehenden Video Günter Wewel. "Auf Poesie ist die Sicherheit der Throne gegründet," hatte der preußische Militärreformer August Graf Neithardt von Gneisenau in einer Denkschrift aus dem Jahr 1811 an seinen König geschrieben, als der König auf eine vorhergehende Denkschrift, die durchgreifende Reformen vorgeschlagen hatte (Aufstellung einer Miliz), die Randbemerkung gesetzt hatte: "Als Poesie gut." (Lexikus.de)




Fridericus Rex, unser König und Herr,
der rief seine Soldaten allesamt ins Gewehr,
zweihundert Bataillons und an die tausend Schwadronen,
und jeder Grenadier kriegt sechzig Patronen.

"Ihr verfluchten Kerls", sprach seine Majestät,
"dass jeder in der Bataille seinen Mann mir steht! 
Sie gönnen mir nicht Schlesien und die Grafschaft Glatz
und die hundert Millionen in Meinem Schatz."

"Die Kais'rin hat sich mit dem Franzosen allirt,
und das römische Reich gegen mich revoltiert,
die Russen seind gefallen in Preussen ein.
Auf, lasst uns sie zeigen, dass wir brave Landskinder sein."

"Meine Generale Schwerin und Feldmarschall von Keith,
und der Generalmajor von Zieten sind allemal bereit.
Potz, Mohren, Blitz und Kreuz-Element,
wer den Fritz und seine Soldaten noch nicht kennt."

Nun adjö, Luise, wisch ab das Gesicht, 
eine jede Kugel, die trifft ja nicht;
denn träfe jede Kugel apart ihren Mann,
wo kriegten die Könige ihre Soldaten dann!

Die Musketenkugel macht ein kleines Loch,
die Kanonenkugel ein weit grösseres noch; 
die Kugeln sind alle von Eisen und Blei,
und manche Kugel geht manchem vorbei.

Unsre Artillerie hat ein vortrefflich Kaliber, 
und von den Preussen geht keiner nicht zum Feinde hinüber;
die Schweden, die haben verflucht schlechtes Geld,
wer weiss, ob der Östreicher besseres hält.

Mit Pomade bezahlt den Franzosen sein König,
wir kriegen's alle Woche bei Heller und Pfenning.
Potz, Mohren, Blitz und Kreuz-Sapperment,
wer kriegt so prompt wie der Preusse sein Traktament.

Fridericus mein König, den der Lorbeerkranz ziert,
ach hätt'st du nur öfters zu plündern permittiert,
Fridericus Rex, mein König und Held,
wir schlügen den Teufel für dich aus der Welt!
Fridericus Rex, mein König und Held,
wir schlügen den Teufel für dich aus der Welt!



Gneisenau antwortete 1811 auf die Randbemerkung des Königs (Lexikus.de):
Es sind nicht immer die stehenden Heere gewesen, die Throne und Staaten gerettet haben, häufig war es die Liebe eines für seinen Herrscher begeisterten Volkes. König Alfred von England hatte nichts mehr übrig als ein Bauerngewand, und dennoch rettete er Thron und Volk aus der Gewalt der damals allfurchtbaren Dänen. Ew. Majestät werden mir, indem ich dieses sage, abermals Poesie Schuld geben, und ich will mich gern hiezu bekennen. Religion, Gebet, Liebe zum Regenten, zum Vaterland sind nichts anderes als Poesie, keine Herzenserhebung ohne poetischen Schwung. Wer nur nach kalter Berechnung handelt, wird ein starrer Egoist. Auf Poesie ist die Sicherheit der Throne gegründet. Wie so mancher von uns, die wir mit Bekümmernis auf den wankenden Thron blicken, würde eine ruhige, glückliche Lage in stiller Eingezogenheit finden können, wie mancher selbst eine glänzende erwarten dürfen, wenn er statt zu fühlen nur berechnen wollte. Jeder Herrscher ist ihm dann gleichgültig. Aber die Bande der Geburt, der Zuneigung, der Dankbarkeit, des Hasses gegen die Fremdlinge fesseln ihn an seinen alten Herrn, mit ihm will er leben und fallen, für ihn entsagt er den Familienfreuden, für ihn gibt er Leben und Gut ungewisser Zukunft preis. Dies ist Poesie, und zwar der edelsten Art. An ihr will ich mich aufrichten mein lebelang, und zur Ehre will ich mir es rechnen, der Schar jener Begeisterten anzugehören, die alles daran setzen, um Ew. Majestät alles zu retten, denn wahrlich, zu einem solchen Entschluss gehört Begeisterung, die jede selbstsüchtige Berechnung verschmäht. Viel sind der Männer, die so denken, und weit stehe ich ihnen an Adel der Gesinnungen nach, aber ich will mich bestreben, ihnen ähnlich zu werden.
Für heutige Zeiten müssen solche Gedanken natürlich ein wenig umformuliert werden. Zu Zeiten Friedrichs des Großen war sein Staat einer der fortschrittlichsten seiner Zeit, heute wäre er das natürlich keinesfalls. Und für heutige Zeiten ist zu formulieren: Auf Poesie ist die Sicherheit gerechter und ihrem Volk mit Wohlwollen gegenüber stehender Regierungen gegründet. Die Sicherheit von Regierungen, die ihrem eigenen Volk feindlich gegenüber stehen und ihm Verderben und Untergang bringen, ist auf reiner Unkultur gegründet.

Ein poetisch beflügeltes Volk im Bündnis mit anderen poetisch beflügelten Völkern würde den blitzartigen Abtritt solcher zutiefst abartiger Regierungen bedeuten.