Samstag, 29. April 2017

Im aufklärerischen Geist ihrer Entstehungszeit

- Die Dorfkirche in Bahnitz an der Havel (geplant 1777)
- Ihr Architekt war der Königliche Baumeister Johann Christian Friedrich Keferstein (1752-1805), zugehörig dem aufgeklärten Reformerkreis rund um den brandenburgischen Gutsherrn von Rochow 

Die Dorfkirche des Dorfes Bahnitz an der Havel (Wiki, Prl2017) im Elb-Havel-Winkel im Land Brandenburg existiert nicht mehr. Jugendliche rauchten Ende der der 1940er Jahre heimlich in ihrem Dachgiebel, es entstand ein Brand und die Kirche brannte bis auf die Grundmauern nieder (13). Die Grundmauern des Kirchturms wurden nach 1989 wieder so hergerichtet, daß ein Kirchenraum entstand. Sie gilt heute als die "kleinste Kirche Brandenburgs". Das Aussehen des ursprünglichen Baus ist nur auf alten Fotografien erhalten, von denen möglichst viele im vorliegenden Beitrag zusammen gestellt werden sollen, stammend aus alten Fotoalben.

Der Autor dieser Zeilen darf ein persönliches Interesse an der Geschichte der Bahnitzer Dorfkirche geltend machen. Denn etwa fünfzig seiner leiblichen Vorfahren dürften diesen Kirchturm 150 Jahre lang vor ihrer Nase stehen gehabt haben. Ihre Glocke läutete in die Träume ihrer Kindheit, sie begleitete die Stationen ihres weiteren Lebens an Wochentagen wie an Sonntagen. In diese Kirche brachten sie ihre Kinder zur Taufe, hier wurden sie konfirmiert, hier heirateten sie und um sie herum wurden sie begraben.

Abb. 1: Die Dorfkirche in Bahnitz (1780-1960) - in Farbe (von einem Dia) (ohne Aufnahmedatum)

Wer aber hat sie erbaut? Und nach wessen Plänen? Die Geschichte des protestantischen Kirchenbaus, sowie des Baus von protestantischen Schulgebäuden hat in der Literatur seit über hundert Jahren Aufmerksamkeit gefunden (s. Schmitz 1922). Anregungen für eine solche Bautätigkeit auf den Dörfern ist oft vom Adel ausgegangen, sie konnten aber durchaus auch vom Landesherren selbst ausgehen. So etwa von Friedrich dem Großen. Die Dorfkirche in Reesdorf bei Beelitz wurde etwa 1775 errichtet und wir erfahren (Wiki):

Friedrich II. (1712–1786) soll bei einer Reise durch das Dorf auf diesen Bau aufmerksam geworden sein und einen prächtigeren Neubau angeregt haben.

Ein Architekt, der im letzten Lebensjahrzehnt Friedrichs des Großen und in den beiden Jahrzehnten danach auf den Dörfern rund um die Potsdam und Brandenburg tätig war, war Johann Christian Friedrich Keferstein (1752-1805) (Wiki). 

Er wirkte in der Stadt Brandenburg an der Havel und in Potsdam. Für ihn begannen wir uns zu interessieren, weil er der Erbauer der Dorfkirche von Bahnitz ist (Prl2017). In seiner Jugend wirkte er im Kreis von aufgeklärten Schulreformern des Landes Brandenburg. In seinem weiteren Leben finden wir dann nichts Spektakuläres oder Außergewöhnliches mehr. Sondern einfach nur die Alltagsarbeit eines Architekten im Brandenburgischen im ausgehenden 18. Jahrhundert. Im vorliegenden Beitrag soll zusammen getragen werden, was über sein Leben in der Literatur zu finden ist. Google Bücher bietet gute Hilfe. Sein Leben ist noch wenig aufgearbeitet. Eine ganz neue Veröffentlichung aus dem Jahr 2017 (Kitschke 2017) läßt einige Umrisse zu seinem Leben deutlicher hervortreten. Ebenso zusätzliche, freundliche Mitteilungen des Autors derselben, für die wir an dieser Stelle danken.

Abb. 2: Die Dorfkirche von Bahnitz an der Havel - Erbaut 1780
Aufnahme um 1900
die Kirche wurde 1960 wegen Baufälligkeit bis auf Reste abgetragen

Christian Friedrich Keferstein wurde am 4. März 1752 in Cröllwitz an der Saale, einem Dorf drei Kilometer nördlich der Altstadt von Halle als Ältester von 17 Kindern geboren. Sein Vater war der Papiermüller Georg Christoph Keferstein (1723-1802). Seine Mutter war Pastorentochter aus dem Dorf Veckenstedt am Harz (Wiki), 25 Kilometer westlich von Halberstadt. Somit braucht nicht ausgeschlossen werden, daß Keferstein in seiner Jugend auch architektonische Anregungen aus Halberstadt und der Harzregion empfangen hat, wo er gelegentlich Verwandte besucht haben mag. Sonst aber wird er natürlich Jugendeindrücke in Halle an der Saale gesammelt haben.

Die Familie Keferstein war eine aufstrebende bürgerliche Familie. Zahlreiche namhafte Verwandte und Nachkommen finden sich (Wiki). Ein jüngerer Bruder wurde Bürgermeister von Halle - Gabriel Wilhelm Keferstein (Wiki). Ein anderer Bruder übernahm den väterlichen Betrieb - Adolph Keferstein (Wiki). Ein Neffe der drei war Mineraloge - Christian Keferstein (Wiki). Unser Architekt Keferstein hat in Halle an der Saale Jura studiert. Dies war damals eine der angesehensten Universitäten des Landes und ganz Deutschlands (Wiki). 1694 war sie gegründet worden. Carl Gotthard Langhans (1732-1808), der namhafte Berufskollege von Keferstein, der Erbauer des Brandenburger Tores, zwanzig Jahre älter als Keferstein und aus Schlesien stammend, hatte ebenfalls hier studiertZu ihm heißt es auf Wikipedia:

Er studierte von 1753 bis 1757 Jura in Halle, daneben auch Mathematik und Sprachen, und beschäftigte sich autodidaktisch mit der Architektur.

Ähnlich ohne Frage Keferstein. Die Universität galt als Zentrum von Pietismus und Aufklärung. Die Angabe auf Wikipedia, Keferstein hätte mit seinem Studium 1776 begonnen, paßt im übrigen nicht so richtig zu den anderen Lebensdaten. Womöglich hat er es in diesem Jahr eher beendet, bzw. abgebrochen.

Abb. 3: Hochzeit in Bahnitz Anfang des 20. Jahrhunderts, im Hintergrund die Kirche

Denn angesichts der großen Zahl seiner Geschwister wird Keferstein jede Gelegenheit wahrgenommen haben, um möglichst bald auf eigenen Füßen stehen zu können. Diese ergab sich für ihn schon im 21. Lebensjahr. 

1773 - Mitarbeiter des brandenburgischen Schulreformers Friedrich Eberhard von Rochow

Im Jahr 1773 wurde nämlich der aufklärerische, schulreformerische Kreis rund um den Gutsherren Friedrich Eberhard von Rochow (1734-1805) (Wiki) im Dorf Reckhahn südlich von Brandenburg auf unseren Keferstein aufmerksam. Vielleicht weil auch Keferstein - wie dieser Kreis - über Verbindungen nach Halberstadt verfügte. von Rochow war Sohn eines Staatsminister unter dem Soldatenkönig, hatte zwei Jahre lang die Ritterakademie in Brandenburg besucht, hatte wenige Jahre am Siebenjährigen Krieg teilgenommen, sich nach Verwundungen auf sein Schloß zurück gezogen und war (protestantischer) Domherr von Halberstadt geworden. Offensichtlich war er zutiefst vom aufklärerische Geist seiner Zeit und seines von ihm sicherlich bewunderten Königs ergriffen. Wir lesen jedenfalls über ihn (Wiki):

Als Gutsbesitzer wollte er die landwirtschaftliche Produktion durch Reformen ertragreicher gestalten. Dabei mußte er feststellen, daß der Bildungsstand der Bauern und Gutsarbeiter nicht ausreichte, um Reformen einzuführen und wirksam werden zu lassen. Daraus folgte für ihn, daß die soziale und wirtschaftliche Lage der Landbevölkerung durch Schulbildung zu verbessern sei. So gründete Rochow 1773 bei seinem Gut in Reckahn (...) eine Dorfschule, die 1774 ein eigenes Schulgebäude erhielt und bald Musterschule für ähnliche Anstalten wurde. (...) Eine wesentliche Stütze fand er dabei in dem ihm 1765 bis 1771 als Schreiber und Musikus dienenden Heinrich Julius Bruns, dem er 1773 die freigewordene Kantor- und Lehrerstelle gab. Die fruchtbare Zusammenarbeit endete 1794 mit Bruns’ Tod, dem er die ehrende Grabinschrift setzte: „Er war ein Lehrer!“. Zahlreiche Pädagogen besuchten Reckahn und ließen sich von dem dort praktizierten Unterricht anregen.
In seinem Versuch eines Schulbuches für Kinder der Landleute (1772) hatte Rochow schon vorher eine bessere Unterrichtsmethode dargelegt und empfohlen. Als erfolgreicher Volks- und Jugendschriftsteller im Sinn der philanthropischen Aufklärung zeigte er sich in seinem oft aufgelegten und nachgeahmten Lese- und Sachbuch Der Kinderfreund (erster Teil 1776, zweiter Teil 1779), das in seiner Schule als Schulbuch diente.
Rochow pflegte Bekanntschaft mit der gesellschaftlichen Prominenz seiner Zeit, u. a. mit Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, mit dem preußischen Minister für Kirchen- und Schulsachen Karl Abraham Freiherr von Zedlitz, mit dem Gründer des Dessauer Philanthropinums Johann Bernhard Basedow, mit Christian Gotthilf Salzmann, Christian Fürchtegott Gellert, Anton Friedrich Büsching und Johann Wilhelm Ludwig Gleim. Ferner war er Mitglied der von 1785 bis 1810 bestehenden Literarischen Gesellschaft Halberstadt.
Im Jahr 1791 war er Mitbegründer der Märkischen Ökonomischen Gesellschaft zu Potsdam und wurde ihr erster Direktor (spätere Direktoren waren Graf Ewald Friedrich von Hertzberg und Etatminister Otto Karl Friedrich von Voß). Die Gesellschaft beschäftigte sich satzungsgemäß mit allen zeitgenössischen Themen zur Hebung der landwirtschaftlichen und gewerblichen Produktion. (...) 
Die Rochowsche Landschulreform wurde durch Bernhard Christoph Ludwig Natorp (1774–1846), Wilhelm von Türk und Friedrich Wilhelm Gotthilf Frosch weiterentwickelt.
Im restaurierten Neuen Schloß Reckahn ist seit 2001 ein Rochow-Museum eingerichtet, das die Leistungen des Pädagogen und die Geschichte seiner berühmten Familie widerspiegelt. Ebenso findet sich ein Schulmuseum in der ehemaligen Dorfschule zu Reckahn.

Der hier erwähnte Anton Friedrich Büsching (1724-1793) (Wiki) war zu jener Zeit Direktor des Gymnasiums zum Grauen Kloster in Berlin. Er sollte nach dem Tod Friedrichs des Großen im Jahr 1786 eine sehr genaue Charakterisierung seiner Person und seiner Regierungszeit veröffenlichen und hat schon 1775 veröffentlicht "Beschreibung seiner Reise von Berlin über Potsdam nach Rekahn unweit Brandenburg, welche er vom dritten bis achten Junius 1775 gethan hat". Diese Reise unternahm er, um den schulreformerischen Kreis rund um von Rochow kennenzulernen. In dieser Veröffentlichung erwähnt er auch unseren Architekten Keferstein. 

1775 - Mathematiklehrer am Ritterkolllegium in Brandenburg

Spätestens ab 1775 ist Keferstein nämlich Mathematiklehrer am Ritterkollegium in Brandenburg geworden. Sein dortiger Vorgänger, der Direktor und Mathematiklehrer Joachim Christoph Heinsius (auch Heinß) (1697-1771) (Grab), hatte die Dorf- und Schloßkirche zu Reckahn 1739 erbaut (Wiki), verfügte also auch schon über gute Verbindungen zur Familie von Rochow. Über diese Verbindung könnte Keferstein diese Stelle erhalten haben. Anton Friedrich Büsching nun gibt in seinem genannten Veröffentlichung auch eine gründliche Beschreibung der Stadt Brandenburg an der Havel und veröffentlicht in dieser auch den Grundriß des Schulhauses zu Reckhahn (Büsching 1775, S. 251):

Die ganze Beschreibung wird durch den Grundriß erläutert, den der geschickte Mathematickus des Rittercollegii, Herr Keferstein verfertiget, und mir gütig mitgetheilet hat.

Er schreibt außerdem (Büschung 1775, S. 276):

Das Rittercollegium ist in dem alten Kloster der Prämonstratenser, welches an die Domkirche stößet, über dem Kreutzgange angelegt. 

Er nennt als Lehrer desselben den Direktor Breymann, der zugleich Domprediger war, sowie einen reformierten Prediger. 

Abb. 4: Dorfkirche Bahnitz, vielleicht 1930er Jahre

Dann schreibt er weiter (Büsching 1775, S. 278):

Die Herren Keferstein und Arnold, und ein Tanzmeister machen jetzt die übrigen Lehrer des Collegii aus. (...) Vom Herrn Keferstein, welcher Lehrer der Mathematik ist, habe ich mir seine Zeichnung von einem sehr vortheilhaft eingerichtetem steinernem Bauerhause ausgebeten, um sie meinen Lesern durch einen Kupferstich mittheilen zu können. Diese seine Erfindung hat des Domherrn von Rochow Beifall gefunden und wird ohne Zweifel vielen gefallen, welche ihm auch dieselbige verdanken werden. 

Ähnlichen Beifall muß der Domherr von Rochow Keferstein 1773 ja auch schon zu seinen Plänen für die Dorfschule in Reckahn gespendet haben. Diese ist ja noch heute nichts geringeres als ein Schulmuseum (Wiki) (Kinder/Porada, S. 329):

Sie stellte lange Zeit das bauliche Vorbild für viele Dorfschulen dar.

Wir sehen hier Keferstein also schon mit 21 Jahren auf der Höhe seiner Zeit und als anerkannt im Kreise reformgesinnter, aufgeklärter Kreise. Auch an der Regimentsschule von Brandenburg hat Keferstein Unterricht gegeben, wie es heißt (Büsching, 1775, S. 286):

Es würde mir sehr angenehm gewesen seyn, wenn ich Zeit und Gelegenheit gehabt hätte, in der Stadt Brandenburg auch die Schule für die Soldatenkinder des hiesigen Füsilierregiments zu sehen, für deren jetzige gute Einrichtung der Herr Generalmajor von Kleist, oberster Befehlshaber des Regiments, rühmlich gesorget hat. (...) Das Regiment hat 567 Kinder von 1 bis 18 Jahren, von welchen jetzt 125 in die Schule gehen, die (...) in drei Klassen getheilet sind. (...) Und der oben gerühmte Lehrer der Mathematik bei dem Rittercollegio, Herr Keferstein, leitet wöchentlich ein paarmahl einige dazu fähige Knaben unentgeltlich zu militärischen Zeichnungen an.

Als "Lehrer der Mathematik in Brandenburg" veröffentlichte Keferstein ein Jahr später, mit 24 Jahren ein Buch mit einem - damals üblichen - langen Titel (s. Abb. 5).

1776 - "Anfangsgründe der bürgerlichen Baukunst"

Es war mit den "Anfangsgründen der bürgerlichen Baukunst" befaßt. Es handelte sich um ein durch und durch praxisorientiertes Buch. Dies geht sowohl aus dem Titel hervor und ist auch leicht aus dem im Internet durchblätterbaren Text zu erkennen.

Abb. 5: Titelsteite von J.C.F. Keferstein - Anfangsgründe der bürgerlichen Baukunst, 1776

In diesem Buch bringt er im Anhang eine Skizze "Grundris und Aufris einer Land-Kirche". Er bringt auch einen Plan des Dorfes Schmerzke, fünf Kilometer südlich von Brandenburg, das gerade erst ein Jahr zuvor, im Juni 1775, abgebrannt war. Er will zeigen, daß man ein Dorf so nicht bauen dürfe. In einer Rezension wird dazu festgehalten (Allg. dt. Bibl. 1777):

Mit wahrem Vergnügen kündigen wir unsern Lesern dis gute Buch an. (...) Es fehlte uns noch immer ein Buch, worinn alles, was zur Baukunst auf dem Lande gehöret, zusammengefasset (...) wurde. Der Grundriß des verunglückten Dorfes Schmerzke bey Brandenburg hat uns sehr wohl gefallen, ob wir gleich die mehr wie vorher zerstreuten Häuser bei einem Brande vor dem Flugfeuer der Strohdächer noch nicht völlig gesichert finden.

Wieder ein Jahr später, 1777, heiratet Keferstein die Tochter eines Brandenburger Stadt- und Justizdirektors. 

Abb. 6: "Aufris einer Land-Kirche"
aus: Keferstein, Anfangsgründe, 1776

Im selben Jahr wurde ihm Gelegenheit gegeben, Entwürfe zu einer Land-Kirche anzufertigen. 

1777 - Der Neubau der Dorfkirche in Bahnitz

Nördlich der Stadt Brandenburg in dem Dorf Bahnitz an der Havel sollte eine neue Dorfkirche erbaut werden. Der Auftrag stammte von einem damals mächtigen Minister unter Friedrich dem Großen in Berlin, nämlich von dem Bahnitzer Kirchenpatron Friedrich Christoph von Goerne (1734-1817) (Dt. Dig. Bibl.). 1777 war dieser Minister von Goerne mit dem Umbau des 1775 von ihm erworbenen Palais Unter den Linden 36 befaßt (Wiki(Hahn, 2006, S. 2-4). Die Gestaltung eines prächtigen Saales lag dabei in den Händen von Carl Gotthard Langhans (1732-1808). Ob es zur persönlichen Begegnung Kefersteins mit von Goerne gekommen ist und wenn ja, ob es im Palais in Berlin geschehen ist, muß hier dahin stehen. Der Umbau des Palais in Berlin kostete von Goerne (wenn man es recht versteht) 12.179 Taler (Hahn, 2006, S. 4). Das war im Grunde "nur" das Dreifache der Baukosten der Bahnitzer Kirche.

Nach den "Akten des Pfarramtes" wird in der Dorfchronik dieses Dorfes berichtet (Pape/Chronik 1941):

Von der alten Kirche wissen die Akten des Pfarramts nichts zu erzählen. Im Jahre 1777 wurden von dem Landbaumeister Keferstein - Brandenburg Zeichnungen und Anschläge für den Neubau der Kirche angefertigt. Veranschlagt wurde der Bau mit 3.600 Talern. In den Jahren 1778 - 1781 wurde der Bau ausgeführt und im Jahre 1782 abgenommen. Die Wetterfahne trägt die Jahreszahl 1780 und ein „v G“ (von Görne).
In Nitzahn war damals Pastor Schäfer, Kirchenvorsteher in Bahnitz der Kossat Andreas Rohrschneider (Hof 32), gestorben am 29. Januar 1786 im Alter von 93 J. 5 Monaten. Patron der Kirche war der Besitzer des Rittergutes Kützkow von Görne, dessen Wappen über der Kirchtür ist. Baumeister Keferstein erhielt für seine Bemühungen 136 Taler, nämlich:
1. drei Zeichnungen auf Befehl des Ministers von Görne und verschiedene Anschläge zum Kirchen- und Turmbau, der ausgeführte Anschlag 3.600 Taler, davon 1 Prozent = 36 Taler,
2. für sämtliche Reisen, Beaufsichtigung des Baues, Kontrakte mit den Handwerkern schließen, Rechnung führen, für diese 6 jährigen Besorgungen die mäßige Summe von 100 Talern, zusammen 136 Taler.
Handwerker, die am Bau mitgewirkt haben, waren: Maurermeister Meyer, Zimmermeister Gottfried Strohbach - Brandenburg, Tischler Ladeburg, Klempner Gottlieb Kühling, Schmied Benicke in Kützkow, Glas-Meister Christoph Weber. Für jährliche Reparierung der Kirchenuhr bekam der Uhrmacher Horch - Pritzerbe - 1 Taler. Als Lehrer wirkte zu der Zeit in Bahnitz der Schulmeister Johann Philipp Vogeler.

In einem Prozeß eines seiner Nachfolger als Rittergutsbesitzer von Kützkow und Bahnitz, nämlich eines von Schnehen Mitte des 19. Jahrhunderts gegen den Rittergutsbesitzer von Möthlitz um anderweitige Baukosten wurde in einem Sitzungsbericht (Archiv für Rechtsfälle, 1865, S. 274-282 [GB]) ausgeführt, daß der Kirchenpatron nur die reinen Baumaterialien bei einem Kirchenbau zu zahlen hatte. Somit werden die angeführten Kosten für den Baumeister Keferstein und die genannten Handwerker von der Kirchengemeinde Bahnitz bezahlt worden sein.

Abb. 7: Die Dorfkirche von Bahnitz - Erbaut 1780
Aufnahme 1938

Über die Dorfkirche Bahnitz wird von Seiten eines Architekturhistorikers 2011 festgehalten (Kitschke 2011, S. 21):

Der stattliche, spätbarocke Kirchenbau wurde 1782 eingeweiht. Sein im Erdgeschoss mit paarigen Lisenen und darüber mit gekuppelten Pilastern geschmückter Westturm trug eine konkav geschwungene Haube mit dekorativen Uhrgaupen an allen vier Seiten und auf der überkuppelten Laterne eine Wetterfahne mit der Jahreszahl 1780.

Der Kirchenbau atmet also den reformerischen, aufgeklärten Geist des Jahres 1777. Aus einem Grundriß dieser Kirche, den der Bahnitzer Lehrersohn Reinhard Vogeler 1857 anfertigte und rückseitig beschriftete, geht unter anderem die damalige Sitzordnung hervor. 

Abb. 8: Grundriß der Bahnitzer Dorfkirche
mit rückseitiger Erläuterung
angefertigt durch den Bahnitzer
Lehrersohn Reinhard Vogeler 1857

Offenbar war die Schullehrer-Familie die einzige, die einen besonderen Platz in der Kirche hatte, auf dem Grundriß mit e.1 und e.2 markiert: "Der Stuhl für den Schullehrer" und auf der gegenüberliegenden Seite: "Stuhl für das weibliche Personal des Schullehrers". (Wahrscheinlich war zu jenem Zeitpunkt noch der Schwager von Reinhard Vogeler Lehrer in Bahnitz und womöglich war die mit ihm verheiratete Schwester von Reinhard Vogeler schon verstorben, weshalb nur von dem Personal die Rede ist.) Neben dem Stuhl für den Lehrer war mit f markiert

Die Stelle, wo das Denkmal für den Schullehrer Joh. Ph. Vogeler angebracht werden soll. 

Das war der Vater von Reinhard Vogeler, der während der Bauzeit der Kirche Lehrer in Bahnitz war. Der Sohn wollte hier offenbar eine Gedenktafel anbringen lassen. Da diese Tafel später nirgendwo mehr erwähnt wird, ist es fraglich, ob es zu der Anbringung derselben gekommen ist.

Der Skizze ist außerdem zu entnehmen, daß die Kirche damals von Maulbeerbäumen umgeben war. Diese wurden für die Zucht von Seidenraupen allerorts in den Dörfern angepflanzt. Außerdem scheint sie eingezäunt gewesen zu sein. In der Dorfmitte stand eine Linde. Zugänge zum Kirchhof gab es durch einen Eingang neben der Linde und einen Eingang neben dem Lehrerhaus. Für die Kirche gab es zwei Eingänge, einmal von Westen durch den Turm (wohl der Haupteingang), zum anderen von Osten (wohl für den Nitzahner Pfarrer und den Organisten).

Wie wir weiter unten noch hören werden, sollte Keferstein 1802, 25 Jahre später, einen ähnlichen Kirchenbau wie er ihn in Bahnitz errichtet hatte, auch für das Dorf Bornstedt bei Potsdam vorschlagen. Hierüber schreibt uns Andreas Kitschke, dem wir zuvor die Hypothese unterbreitet hatten, daß doch auch Langhans als Berater von Goernes in Berlin Einfluß genommen haben könnte auf die Gestaltung der Bahnitzer Dorfkirche:

Es gibt für mich keinen Zweifel daran, daß Keferstein der entwerfende Architekt der Bahnitzer Kirche war. Die Form der Turmhaube auf der Turmlaterne ist m. E. identisch mit jener, die sich auf der Entwurfszeichnung Kefersteins auf S. 134 (Bildmitte, über dem Kirchendach) meines Potsdamer-Kirchen-Buches findet. (...) Zur Grundriß-Skizze (Abb. 5 in Ihrem Aufsatz) fällt mir auf, daß es auch hier Ähnlichkeiten zu dem nicht verwirklichten Bornstedter Entwurf gibt, nämlich die Anordnung einer vor der Ostwand offenbar mit einer Bretterwand abgeschlagenen Sakristei. Der Ostzugang war also in der Tat für den Pfarrer und (falls sich über dem Altar die Orgel befinden sollte) den Organisten bestimmt.

Auf der Vogeler-Skizze ist übrigens außerdem mit k markiert links oben "Der Schuppen für Feuer-Lösch-Gerätschaften". Vielleicht ist auch dieser von Keferstein in Anregung gebracht worden, der ja viel mit der Problematik von Blitzeinschlägen und Dorfbränden befaßt gewesen ist.

1780 erhielt die Kirche in Bahnitz ihre Wetterfahne, 1781 ist sie fertig gestellt, 1782 wird sie abgenommen und eingeweiht. 

Im Frühjahr 1782 hatte das Schicksal des Kirchenpatrons von Bahnitz, des Ministers von Goerne, eine recht dramatische Wendung genommen (Straubel 2014). Er wurde zunächst unter Arrest gestellt und noch im Frühjahr auf die Festung Spandau in Haft verbracht, zu der er dann lebenslänglich verurteilt worden ist. Durch eine Heirat war der zuvor verschuldete Brandenburger Gutsbesitzerssohn in Breslau zu einem reichen Mann geworden, hatte dann als Außenwirtschaftsminister den Handel Preußens mit Polen auf der Weichsel unter sich und - unter Einfluß der damaligen polnischen Magnaten, die ihm offenbar Hoffnungen auf die polnische Königskrone gemacht hatten - über seine Verhältnisse gelebt. Er hatte sich der Veruntreuung von Staatsgeldern schuldig gemacht und seinen alternden König Monate, wenn nicht Jahre lang hinters Licht geführt (Straubel 2014). Es ist kennzeichnend für die persönliche Regierungsweise Friedrichs II., daß er den Betrügereien seines Ministers schließlich doch noch durch sehr kritische eigene Prüfung der von ihm vorgelegten Abrechnungen auf die Schliche gekommen ist.

Aber diese Wellen der großen Politik wird so ungestüm nicht nach der Stadt Brandenburg und auf die umliegenden Dörfer geschwappt sein. Dort wird das Leben seinen gemächlicheren Gang weiter gegangen sein. Man hatte Vertrauen zu seinem König. Und durfte es haben.

Am 13. Dezember 1778 war Keferstein in Brandenburg an der Havel die erste Tochter geboren worden. Sie hatte die Namen Caroline Friederike Henriette erhalten. In der Folge sollte in der Familie Keferstein etwa alle zwei Jahre ein Kind geboren werden, die ersten beiden waren Töchter, dann folgten vier Söhne, dann wieder eine Tochter und ein Sohn (dazu mehr unten).

1787- Der Neubau der Dorfkirche Rietz

1779 nannte sich Keferstein "Königlicher Landbaumeister und Mathematiklehrer an der Ritterakademie in Brandenburg".  Offenbar war er schon ab dieser Zeit Bauinspekteur des Amtes Bornstedt bei Potsdam. Diese Stellung hat er, wie wir noch sehen werden, viele Jahre lang ausgeübt. Über Keferstein wurde vor einigen Jahren festgehalten (Büsching/Zuchold 2006, S. 671):

Er hat wohl nur wenige Bauten hinterlassen, ist aber bekannt geworden durch das Werk "Anfangsgründe der bürgerlichen Baukunst".

Dies Aussage geschah in Unkenntnis der Tatsache, daß Keferstein immerhin die Bahnitzer Dorfkirche hinterlassen hat, die ihm allerdings in der architekturgeschichtlichen Literatur bislang offenbar noch nicht zugeordnet war. Auch scheint seine Mitwirkung an der Dorfkirche Rietz und an der Dorfschule Caputh noch nicht ihm zugeordnet gewesen sein, von denen gleich noch zu berichten ist. Und so mag es durchaus noch das eine oder andere weitere Gebäude geben, das von ihm stammte, ihm bislang aber nicht zugeordnet worden ist.

Abb. 9: Dorfkirche Bahnitz, im Vordergrund Schulgebäude

1787 baute Keferstein den Saalbau der Dorfkirche Rietz, sieben Kilometer südlich von Brandenburg, dem Nachbardorf von Schmerzke (Dt. dig. Bibl., 2009):

Der im späten 18. Jh. errichtete Saalbau (...). Aus den Akten zum Neubau des Schiffs ergibt sich, dass der Vorgänger ein (...) mit Mauersteinen verblendeter Holzbau war. Bei dem zwei Geschosse hohen Turmoberteil handelte es sich um eine 1782 einsturzgefährdete Fachwerkkonstruktion mit Ziegelausfachungen und abschließender "Kuppel". Über den komplizierten Entstehungsprozess des Kirchenneubaues geben die Schriftquellen detailliert Auskunft. 1780 wird die Initiative des für Rietz zuständigen Predigers Michael Lenz für einen dringend benötigten Kirchenneubau aktenkundig. Daraufhin untersuchte Bauinspektor Wittke die alte Kirche, die er in einem Bericht 1782 als baufällig und zu klein bezeichnete. Zugleich legte er den Entwurf für einen Neubau vor. Die massive Bauweise, je drei Fenster auf den Längsseiten, die Einbeziehung des alten Turmunterbaues und der mit Dachsteinen belegte Rücksprung an dessen Oberkante sowie der Turmabschluss mit Zeltdach finden sich beim ausgeführten Bau wieder; abweichend sind hingegen der gerade Ostschluss, der Haupteingang in der Mitte der Südseite, die flachbogigen Schiffsfenster und die Gestaltung der neuen Turmobergeschosse. (...) Auf Antrag der Kurmärkischen Kriegs- und Domänenkammer fertigte Landbaumeister Keferstein 1787 einen neuen Entwurf, da der von Wittke als zu aufwendig empfunden worden war. 1788-90 erfolgte die Bauausführung durch Maurermeister Martin Vogt (nach dessen Tod weitergeführt durch Maurermeister Friedrich Bernhard) sowie Zimmermeister Daniel Becker, alle aus Spandau.

Wenn man diesen Text recht versteht, hat sich Keferstein bei dem verwirklichten Entwurf sehr deutlich an dem von Wittke orientiert. Für den Turm wurden die bisherigen Grundmauern weiter verwendet. Er erhielt im übrigen eine ganz schlichte Form.

1788 - Der Neubau der Kirche in Saarmund

1786 starb König Friedrich II.. Sein Nachfolger wird König Friedrich Wilhelm II. (1744-97). Als Bauinspekteur des Amtes Bornstedt war Keferstein mit den Kirchen und Schulgebäuden in unmittelbarer Umgebung von Potsdam befasst. So 1788 mit dem Neubau der Kirche in Saarmund, zehn Kilometer südlich von Potsdam (Denkmalpflege 1996, S. 144):

Schließlich wurde der Brandenburger Baumeister Johann Chr. Friedrich Keferstein aufgefordert, einen Entwurf zu fertigen. Er lieferte am 20. März 1788 einen "Anschlag zur Erbauung einer neuen hölzernen Kirche und Glockenthurms, in der Stadt Saarmund (...) nach beigefügter Zeichnung an die Stelle der alten ganz desolaten schon seit 7 Jahren unbrauchbaren Kirche" vor.

Und weiter ist zu erfahren (Kitschke 2017, S. 53):

1788 liefert Friedrich Keferstein mehrere Entwürfe zu einer neuen Fachwerkkirche. Sein Entwurf einer geräumigen massiven Kirche mit Turm vom 4. April 1789 wird ausgeführt.

Ob er aufgrund seiner Tätigkeit in Potsdam auch seinen Wohnsitz nach dort verlegt hat, muß einstweilen offen bleiben. Da er aber 1803 Ratsherr in Brandenburg wird, wird er seinen Lebensmittelpunkt in Brandenburg behalten haben. 

Abb. 10: Kirche in Bahnitz (1780-1960)

Jedenfalls war er dann über die Jahre hinweg vor allem auch immer wieder mit der Reparatur von Dorfkirchen befaßt. So erfahren wir über die Dorfkirche von Bornim, fünf Kilometer nördlich von Schloß Sanssouci (Kitschke/2017, S. 99):

Eine Reparatur der schindelgedeckten welschen Turmhaube veranlaßte Bauinspektor Keferstein 1790.

(Zum Begriff "welsche Haube" übrigens: Wiki.)

1788 - Die Dorfschule in Caputh

Die Dorfschule in Caputh, ein Dorf zehn Kilometer südwestlich von Potsdam, war baufällig geworden (Hohlfeld 2000, S. 22):

Am 20. September 1788 überreichte der damalige Landesbaumeister Keferstein aus Brandenburg der Churmärkischen Kriegs- und Domänenkammer einen Kostenvoranschlag "zur Erbauung eines neuen Schulhauses für das Colonisten Dorf Caput, dessen Einwohner meistens so arm sind, dass sie nicht das mindeste außer denen Handdiensten zu diesem Bau beytragen können. (...) Da der Schulmeister den Seidenbau versteht und in diesem neuen Gebäude dazu Platz findet, so könnte es zugleich doppelten Nutzen haben." Keferstein hatte ein Fachwerkhaus mit im Wesentlichen zwei Räumen vorgesehen. Dafür waren 372 Reichstaler veranschlagt. 

Auf dem Dorf lebten, so erfährt man weiter, keine Bauern, nur 70 Büdner. Der Bau wurde zunächst als zu teuer beurteilt, worauf hin Keferstein die - schon angedeutete - Beteiligung des Seidenbau-Departements vorschlug. Die Verhandlungen gingen hin und her. Das letztere übernahm einen Anteil an den Baukosten. Schließlich standen

534 Taler zur Verfügung. Das war ja mehr, als Keferstein zuletzt hatte hoffen und errechnen dürfen! 

1791 war das Schulhaus fertiggestellt, zu dem auch die Bauskizzen vorliegen (Hohlfeld 2000).

1791 brachte er auch sein Buch in erweiterter Form erneut heraus (mit etwas verändertem Titel "Anleitung zur Landbaukunst et."). Auf der Titelseite bezeichnet er sich weiterhin als "Königlicher Landbaumeister in Brandenburg".

1793, 1796 - Reparaturen in Grube und Babelsberg

1793 nahm er die Reparatur der Dorfkirche Grubow ab (Kitschke 2017, S. 97):

Baurat Keferstein bestätigt, dass "solche Reparaturen tüchtig und anschlagsmäßig befunden worden"

Das Dorf Grubow heißt heute Grube und liegt sieben Kilometer nordwestlich des Schlosses Sanssouci in Potsdam. Im gleichen Jahr fertigte er von der Dorfkirche in Dorf Eiche, zweieinhalb Kilometer westlich des Schlosses Sanssouci (Kitschke 2017, S. 116):

Aufmaßzeichnung mit Ostansicht und Grundriss

an. 1796 ist er mit der Friedrichskirche in Babelsberg befasst, drei Kilometer östlich der Stadt Potsdam (Kitschke 2017, S. 102):

Eine erste größere Instandsetzung der Kirche veranschlagt Bauinspektor Keferstein 1796, denn der Sandboden ist vom Wind derart weggeweht, dass die Fundamente freiliegen und verstärkt werden müssen.

1801 heißt es in "Geographisches Statischtisch-Topographisches Lexikon" zum Eintrag Brandenburg (S. 86 [GB]):

Nach dem ehemaligen Mathematikus des Ritterkollegiums, Keferstein, beträgt der Flächeninhalt oder die Größe der Altstadt 44 Morgen (...) und die der Neustadt 86 Morgen. 

Womöglich war die Tätigkeit als Bauinspekteur von Bornstedt nicht mehr mit einer Lehrtätigkeit am Ritterkollegium zu vereinbaren.

Abb. 11: Eine Hochzeitsgesellschaft kommt aus dem Eingangsportal der Bahnitzer Dorfkirche, um 1950

1801 ist die Dorfkirche Bornstedt, zwei Kilometer nördlich des Schlosses Sanssouci, so baufällig, daß ein Nutzungsverbot ergeht. 

1802 - Kefersteins Bahnitzer Architektursprache gilt als "veraltet"

Keferstein ist nun 50 Jahre alt und reicht als Vorschlag für den Neubau der Kirche einen Plan ein, der ziemlich dem für die Bahnitzer Dorfkirche, die er 25 Jahre zuvor verwirklichte, glich (Kitschke 2017, S. 133):

Der Bauinspektor des Amtes Bornstedt, Johann Friedrich Christian Keferstein, beschreibt sie am 30. September 1802 so: "Kirche mit hohen holzernen Thurm, welche Kirche (...) von Feldsteinmauern, so aber überall gesprungen und versakt sind, mit 60 Schichten doppelten schadhaften Ziegeldach gedekt, der Thurm darauf ist (...) von Holz mit Bretterbekleidung und Spandach alles ganz schadhaft drohet auf die Kirche zu fallen. Daran ist hinten ein Anhangs Gebäude zum Eingange und Leichenbaare." (...) Der mit Neubauentwürfen beauftragte Keferstein reicht der Oberbaudeputation in Berlin am 13. April 1802 Anschlag und Zeichnungen zur Revision ein. Die Geheimen Bauräte Berson, Seidel und Horn bemängeln jedoch "Den Anschlag (...) haben wir nicht revidieren können, weil das nöthige Profil vom gedachten Thurm, ohne welches der Verband deßselben nicht beurtheilet werden kann, mit beyzufügen vergessen ist. Außerdem sind die Mauern der Kirche so wohl als des Thurms viel zu schwach veranschlagt und kann hiernach der Bau nicht dauerhaft ausgeführt werden." (...) Darauf reicht Keferstein am 19. Januar 1803 einen zweiten Plan ein. (...) Doch im Schreiben der Oberbaudeputation vom 30. Januar 1803 wird auf wesentliche Konstruktionsfehler und auf die veraltete Turmausbildung verwiesen. "Wenn also wegen der Nähe von Sans Souci zu Bornstedt ein beßerer Thurm erbauet werden soll, so wird solcher nach dem jetzigen Geschmack eingerichtet, und von unten auf, beßer gezieret werden müßen. Weil dieses aber von dem Keferstein nicht zu erwarten ist, so sind wir gedrungen, dafür allerunterthänigst anzutragen, dem jetzigen Departements Bau Bedienten Bau Inspector Quednow (...) einen andern, mehr detaillierten Anschlag anzufertigen."

Buchautor Andreas Kitschke schreibt uns hierzu freundlicherweise noch (Email vom 27.4.17):

Gerügt wurde seitens der Oberbaudeputation jedoch vor allen die veraltete Konstruktion mit eingemauertem Fachwerk im Inneren des Turmschaftes. Die negativen Äußerungen über Keferstein, die ich zitiert habe, sind nicht als Unfährigkeitserweis misszuverstehen, sondern deuten lediglich darauf hin, dass seine Entwürfe nicht mehr zeitgemäß, also unmodern waren. 

Daß er aber 1802 keinen anderen Gestaltungsentwurf für einen Kirchturm vorlegt als jenen, den er schon 25 Jahre zuvor in Bahnitz verwirklicht hatte, mag doch darauf hinweisen, dass Keferstein sein Haupttalent nicht im dem Erschaffen von Neuem gesehen hat. 1803 wird Keferstein Ratmann in Brandenburg (laut Genealogisches Handbuch bürgerlicher Familien, Bd. 5. Görlitz 1912, S. 155-157)*). 1805 stirbt er in Brandenburg mit 53 Jahren.

Soweit die bislang uns bekannt gewordenen Zeugnisse zum Leben des Landbaumeisters Johann Christian Friedrich Keferstein. 

Die Kinder von Keferstein sollten, soweit übersehbar, alle bürgerliche Berufe ergreifen oder - soweit sie Töchter waren - Männer mit bürgerlichen Berufen heiraten, und zwar in Brandenburg, in Barnewitz (20 Kilometer nördlich von Brandenburg), in Potsdam und in Berlin.*) Ein Sohn fiel als Freiwilliger Jäger in der Schlacht bei Ligny (Wiki). Diese fand am 16. Juni 1815, zwei Tage vor der Schlacht von Waterloo statt (nicht 1814). Die befehlenden preußischen Generale waren Blücher und Gneisenau.

Da das Lebensschicksal des preußischen Ministers von Goerne oben erwähnt worden war, soll es hier auch noch zu Ende erzählt werden. Er ist 1791 nach mehreren Bittgesuchen aus der Haft entlassen worden, war aber die ersten Jahre danach völlig besitzlos und konnte erst nach dem Tod seines Vetters sein väterliches Gut in Gollwitz erwerben, das aber verschuldet war. Wegen dort verübter Homosexualität mit mehreren jungen Männern aus Gollwitz wurde er 1805 erneut zu einem Jahr Haft auf der Festung Magdeburg verurteilt. Nach einem Leben voller Höhen und Tiefen - er hatte angeblich die polnische Königskrone angestrebt - starb er 1817 im 83. Lebensjahr.

Woher stammt die konkave Dachform des Bahnitzer Kirchturms?

Abb. 10: Der Rote Turm in Halle (Saale) um 1824
(Wiki)

Mit allen bislang angeführten biographischen Daten gelang es uns noch nicht, die Frage zu klären, woher die künstlerische Idee zur Gestaltung der Bahnitzer Dorfkirche stammte. Da Keferstein sie 1802 erneut in Vorschlag brachte, muß es ja im wesentlichen schon seine eigene Idee aus Jugendtagen gewesen sein. Aber woher hatte er Anregungen für sie erhalten?

Insgesamt ist es gar nicht so einfach, im Internet spätbarocke Kirchenbauten zu finden, die wenigstens eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Bahnitzer Kirchturm aufweisen, und die eine Vorstellung geben könnten, woran sich der Entwurf für die Bahnitzer Kirche orientiert haben könnte

Mag man nun barocke Kirchenbauten in Brandenburg (Wiki), Berlin (Wiki) oder Sachsen-Anhalt (Wiki) durchgehen. Ein solcher Überblick macht aber immerhin deutlich, daß es eine große Vielfalt an Kirchenbauten in jener Zeit gab und daß vorgegebene Muster und Normen nicht sehr eng gezogen waren, und daß - soweit übersehbar - die Bahnitzer Kirche sehr einzigartig war und wenig Vorbilder aufwies.

Insbesondere scheinen Beispiele für eine ausgeprägt konkave Dachform bei Kirchtürmen selten zu sein. Vielleicht ist sie auch häufiger bei nicht sakralen Türmen zu finden. So findet sich diese Dachform etwa auf dem Roten Turm in Halle an der Saale (Wiki), so wie er zumindest 1824 bestand (Wiki), und wo Keferstein natürlich seine Anregung bekommen haben könnte. 

Wenn man weit gehen möchte, könnte man darauf verweisen, daß sich die konkave Form auch in den Rokokotreppen der Schloßterrasse von Sanssouci findet. Diese stammen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699-1753) (Wiki), der auch sonst gern mit konkaven Formen arbeitete. Dafür sind sowohl seine Neptungrotte von Sanssouci als auch die Dachform des Schlosses Mosigkau Beispiele. All dies nur, um wenigstens vage Anhaltspunkte zum Überdenken zu geben.

Vielleicht handelt es sich tatsächlich um eine kreative Neuschöpfung von Keferstein, der doch in seinen jungen Jahren viel Anteil genommen zu haben scheint am aufklärerischen Geist seiner Zeit. Und diesen mag diese Architektursprache widerspiegeln.

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*) Vollständig lautet dort der Eintrag zu ihm (laut freundlicher Mitteilung von A. Kitschke):
Johann Friedrich Christian (Cröllwitz 4.3.1752-1805 Brandenburg), Architekt, BI Amt Bornstedt, 1803 Ratmann in Brandenburg, verm. 1777 mit der Tochter des Stadtdirektors Schütte zu Brandenburg; 8 Kinder - Verfasser des Buches „Anleitung zur Landbaukunst“, Leipzig 1791.
Und zu seinem Vater:
Georg Christoph (4.12.1723-1802 Cröllwitz), Papiermühlenpächter, verm. 11.5.1751 m. Christine Henriette Jacobi (?-22.9.1806), Tochter des Pastors zu Veckenstädt. 
Und zu seinen Kindern:
  1. Caroline Friederike Henriette (13.12.1778-?), 
  2. Caroline Wilhelmine (19.11.1780-?), verm. m. Binder, Prediger in Barnewitz 
  3. Keferstein, Friedrich Leberecht (25.7.1785-?), Kaufmann in Potsdam,
  4. Carl Ludwig Ferdinand (17.10.1787-1790),  
  5. Keferstein, August Wilhelm (4.9.1789-1852), Kaufmann in Berlin,
  6. Carl Ludwig Ferdinand II (8.11.1791-1814), fiel als Freiwilliger Jäger bei Ligny, 
  7. Friederike Wilhelmine (8.4.1794 [??? Carl Gustav am 6.12.1794???]-7.4.1830) verh. m. Giesebrecht, Dir. d. Gymn. z. Grauen Kloster, Berlin,
  8. Carl Gustav (6.12.1794-20.7.1865), Direktor der Strafanstalt Brandenburg.
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Literatur

  1. Büsching, Anton Friderich (Königl. Preuß. Oberconsistorialrath): Beschreibung seiner Reise von Berlin über Potsdam nach Rekahn unweit Brandenburg welche er vom dritten bis achten Junius 1775 gethan hat. Verlag der Haude und Spenerschen Buchhandlung zu Berlin, Leipzig 1775 (GB)
  2. Keferstein, Johann Christian Friedrich: Anfangsgründe der bürgerlichen Baukunst für Landleute oder Anleitung wie Landbewohner neue verbesserte Gebäude mit feuersichern Dächern, ingleichen neue Dörfer, Wasserleitungen und holzsparende Back- und Stubenoefen ohne Zuziehung eines Baumeisters entwerfen, zeichnen, Anschläge dazu machen und erbauen können. Nebst einer kurzen Anzeige die Gewitter abzuleiten. Mit 15 Kupferplatten. Verlag bei Adam Friedrich Böhme, Leipzig 1776 (Archive)
  3. o.V.: Rezension von Keferstein/Anleitung 1776 in: Allgemeine deutsche Bibliothek, Band 32, herausgegeben von Friedrich Nicolai 1777, S. 263f (GB)
  4. Keferstein, Johann Christian Friedrich: Anleitung zur Landbaukunst: welche lehret wie wohleingerichtete, bequeme und dauerhafte Wohn- und Wirthschaftsgebaude, auch ganze Gehöfte und Dörfer, mit feuersichern Dächern, Wasserleitungen zum Wirthschaftsbedarf, holzsparende Backhäuser und Stubenöfen, auch Brücken, Mahlmühlen u. dergl. zu entwerfen, zu zeichnen und zu erbauen; auch die Anschläge von den Baukosten und Materialien dazu anzufertigen, ingleichen Gewitter-Ableiter ganz einfach anzulegen. Mit 26 Kupfern. Im Verlage bey Adam Friedrich Böhme, Leipzig 1791 (GB)
  5. Eintrag Brandenburg in: Geographisches Statistisch-Topographisches Lexikon. 1801, S. 86 (GB)
  6. Keferstein, Christian: Erinnerungen aus dem Leben eines alten Geognostes u. Ethnographen mit Nachrichten über die Familie Keferstein. Verlag Ed. Anton, Halle 1855 (GB)
  7. Vogeler, Reinhard: Grundriss der Bahnitzer Dorfkirche, 1857 (erhalten von der letzten seiner direkten Nachfahren)
  8. v. Schnehen gegen v. Königsmark. Nichtigkeitsbeschwerde. Sitzung vom 13. Januar 1865. In: Archiv für Rechtsfälle, die zur Entscheidung des Königlichen Ober-Tribunals gelangt sind. Hrsg. von Kammergerichtsrat Theodor Striethorst. Berlin. 2. Jg., 4. Bd. 1865, S. 274-282 (GB)
  9. Genealogisches Handbuch bürgerlicher Familien, Bd. 5. Görlitz 1912, S. 155-157, http://www.rambow.de/deutsches-geschlechterbuch.html (nach freundlicher Mitteilung von Herrn Andreas Kitschke)
  10. Schmitz, Hermann: Kunst und Kultur des 18. Jahrhunderts in Deutschland. 1922, http://kunstmuseum-hamburg.de/kunst-und-kultur-des-18-jahrhunderts-in-deutschland-der-protestantische-kirchenbau/
  11. Pape, Hermann (Lehrer in Bahnitz 1922 bis 1945): Chronik des Dorfes Bahnitz. Ausführliche handschriftliche Eintragungen in einem vorgedruckten Lederprachtband (die Nutzung desselben wurde im "Nationalsozialistischen Mitteilungsblatt des Gauamtes für Kommunalpolitik Sachsen" aus dem Jahr 1936 befürwortet, wie es einleitend heißt). Geschrieben 1939 bis 1941
  12. Saarmund. Die Kirche - ein unbekannter Bau. In: Brandenburgische Denkmalpflege, Bände 5-6. Arenhövel, 1996, S. 143-148
  13. Bading, Friedrich: Heimlich geraucht - Feuer. Leserbrief in: Märkische Allgemeine Zeitung, 5.1.1995 [zur Dorfkirche Bahnitz]
  14. Bading, Friedrich: Kirche kostete einst 3600 Taler. Leserbrief in: Brawo, 7.4.1999 [zur Dorfkirche Bahnitz]
  15. Hohlfeld, Carmen: Geschichte der Schule im Königlichen Amtsdorf Caputh. Von der Einklassenschule bis zum siebenstufigen Lehrsystem. Eine Interpretation der archivalischen Quellen. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Hanno Schmitt und Dr. Frank Tosch. Amtsarchiv Caputh, Caputh 2000 (GB)
  16. Kinder, Sebastian; Porada, Haik Thomas (Hg.): Brandenburg an der Havel und Umgebung. Eine landeskundliche Bestandsaufnahme im Raum Brandenburg an der Havel, Pritzerbe, Reckahn und Wusterwitz. Böhlau-Verlag, Köln u.a. 2006 [Landschaften in Deutschland - Werte der deutschen Heimat] 
  17. Büsching, Anton Friedrich: Beschreibung seiner Reise nach Reckahn. 1775; mit Anmerkungen, Einschüben aus der zweiten Auflage von 1780 und einer biographischen Skizze versehen. Hrsg. v. Gerd-H. Zuchold. Berlin Story, 2006 (753 S.) (GB)
  18. Hahn, Matthias: Palais Görne. In: Akademie der bildenden Künste und mechanischen Wissenschaften, In: Virtuelles Berlin um 1800, „Berliner Klassik. Eine Großstadtkultur um 1800“, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften 2006, URL: http://www.berliner-klassik.de/bk_stadtplan/gui/pdfexport.php?id_ort=74, Datum des Zugriffs: 26.04.2017
  19. o.V.: Dorfkirche Rietz. In: Denkmaltopographie Potsdam-Mittelmark, Bd. 14.1, 2009, S. 498 ff, https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/AW5XSJR25F3QYHSGFJJEU65SUJREPJU5
  20. Kitschke, Andreas: Kirchen des Havellandes. Hrsg. v. W. Bader und Ingrid Bargel. bebra-Verlag, Berlin 2011, S. 21, https://issuu.com/be.bra.verlag/docs/9783937233789_kirchen-havelland
  21. Straubel, Rolf: Friedrich Christoph von Goerne (1734-1817) - Selbstherrlicher Minister König Friedrichs II. oder Spielball seiner Sekretäre und fremder Magnaten? BWV Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2014 (GB)
  22. Kitschke, Andreas: Die Kirchen der Potsdamer Kulturlandschaft. Lukas-Verlag, Berlin 2017 (GB)
  23. Bading, Ingo: Bahnitz an der Havel, ein preußisches Bauerndorf - Einiges zu seiner Geschichte. Auf: Preußenblog, 21. April 2017, http://preussenlebt.blogspot.de/2017/04/zur-geschichte-des-dorfes-bahnitz-der.html
  24. Kitschke, Andreas: Email an den Verfasser vom 27. April 2017



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Weggefährten

Abends, wenn ich heimwärts schreite
Auf dem rauen Ackerpfad,
Hat ein sonderbar Geleite
Oft sich heimlich mir genaht.
Müdes Volk; gebeugt im Nacken
Und die Arme schlaff und schwer,
Wandeln sie mit Karst und Hacken,
Stille Leute, nebenher.
Abgestorbne Werkgenossen,
Die den gleichen Grund bebaut,
Gleicher Sonne Glanz genossen,
Gleichen Sternen stumm vertraut.
Der dort mit der Axt, der breiten,
War’s der einst den Wald erschlug
Und auf kaum verglühten Scheiten
Bresche legte für den Pflug.
Andre folgen; Schwert und Spaten
Glitzern in der gleichen Hand.
Müdling jeder. Ihre Taten
Hat kein Sang, kein Buch genannt.
Jener, steif und ungebrochen,
Ist mein Ahne, hart wie Stein,
Der das trotz’ge Wort gesprochen:
Laßt uns stolze Bauern sein! –
Wenn der Heimstatt Lichter funkeln,
Winkt mir nah des Herdes Glück,
Dann bleibt ohne Gruß, im Dunkeln
festgebannt, die Schar zurück.
Einer lächelt: Hold und teuer
Sei dir Erdenlicht und Sein!
Kehrt ein andrer einst ans Feuer,
Ziehst du wunschlos mit feldein.
                              Alfred Huggenberger


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Zit. n. "Diverse Gedichte". Erläuterung: Der Schweizer Bauer und Schriftsteller Alfred Huggenberger (1867-1960) ist 1907 mit seinem Buch "Hinterm Pflug" deutschlandweit bekannt geworden. Er ist von Hermann Hesse und Ludwig Thoma gefördert worden. Heute ist er nur noch in seiner engeren Heimat bekannt (Hugenberger-Gesellschaft).

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