Sonntag, 31. Dezember 2017

Inferno in Zolchow

Mai 1945 - "Ich kann nicht mehr leben in diesem geschändeten Haus, ich helfe mir selbst."

Otto Bading der Jüngere (gest. 1945) in Zollchow (Wiki) und Otto Bading (1906-1979) in Bahnitz lebten mit ihren Familien etwa 20 Kilometer voneinander entfernt in Bauerndörfern im Elb-Havel-Winkel, bzw. im Westhavelland. Sie waren nicht nur Namensvettern, sondern auch richtige Vettern, genauer gesagt: Halbvettern.*) Der Bahnitzer Otto Bading war der Opa des Verfassers dieser Zeilen. Beide Vettern werden so ziemlich gleichen Jahrgangs gewesen sein. Sie hatten denselben Großvater Bading aus Bahnitz. Sie waren beide Bauernsöhne und Hoferben.  

Abb. 1: Konfirmation von Elfriede Bading, der jüngeren Schwester von Otto Bading auf Hof Nr. 5 in Bahnitz im Jahr 1927 - Die Zollchower Verwandtschaft ist vollständig versammelt**)

Der Bahnitzer Otto hatte sich seine Frau Johanna aus Zollchow geholt (die Oma des Verfassers dieser Zeilen). Dort hatte er sie - vermutungsweise - während eines Besuches oder auf einer Familienfeier kennen gelernt. Wenn es Familienfeiern gab - wie Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten oder Sterbefälle - kamen beide Familien zusammen, einmal in Zollchow, einmal in Bahnitz (Abb. 1). 

Von einer solchen Familienfeier hat sich in Familienalben ein Foto erhalten (Abb. 1). Der Autor dieser Zeilen hatte dieses Foto immer als eine harmlose Fotografie erachtet. Er hatte bis heute - bis zum Jahr 2017 - nicht gewußt, welch schweres Schicksal eine der darauf abgebildeten Familien im Jahr 1945 in Zollchow erlebte.

Der Zollchower Otto hatte in den 1920er Jahren den Hof seines Vaters übernommen. Nach 1933 war er in Zollchow Ortsbauernführer geworden. Der Bahnitzer Otto hat ebenfalls den Hof seines Vaters übernommen und war nach 1933 Ortsgruppenleiter, Amtsvorsteher und Bezirksbauernführer in Bahnitz geworden. Und das Schicksal des Zollchower Otto Bading, seiner Ehefrau und seiner beiden minderjährigen Kinder im Mai 1945 lassen erahnen, was auch dem Bahnitzer Otto Bading, dem Opa des Verfassers dieser Zeilen, sowie seinen damals minderjährigen Kindern im Mai 1945 in Bahnitz hätte widerfahren können, wenn sich der Bahnitzer Otto Bading zum Zeitpunkt des Einmarsches der Roten Armee nicht in französischer Kriegsgefangenschaft befunden hätte, sondern zu Hause auf seinem Hof in Bahnitz im Elb-Havel-Winkel. 

Über das Schicksal des Zollchower Otto Bading und seiner Familie berichtet der letzte Gutsherr von Zollchow, der Leutnant a. D. Martin von Katte (1896->1987), in seinen Erinnerungen (1). Der Name von Katte hat in unserer Familie einen guten Klang. Unsere Oma Johanna Bading (1911-1985), geborene Bleis, die in Zollchow als Halbbauern-Tochter geboren und aufgewachsen war (5), hat oft von den Katte's gesprochen. Der Name von Katte wurde von ihr bis an ihr Lebensende mit Hochachtung genannt. Wenn sie Ilse von Bredows "Kartoffeln mit Stippe" las, dachte sie wohl immer an ihre Zollchower Gutsfamilie von Katte, die einen ähnlich historischen Namen hatte wie die Bredows und in der ähnliche Mentalitäten mögen vorherrschend gewesen sein. 

Inferno in Zollchow

Dem Gutsherrn Martin von Katte (1896->1987) gelang es noch Anfang April 1945, sich und seine Familie mit einem LKW von Zollchow aus in das Jagdhaus des Großvaters in den Harz bei Quedlinburg abzusetzen (1, S. 124). Seine Mutter Katharina, geborene Hoth (1874-8.5.1945) (Stammreihen), hatte in Zollchow zurück bleiben wollen. Das vormalige polnische Hausmädchen Christina kam nach dem Einmarsch der Russen noch einmal in den Harz, um sich noch ein Zeugnis ausstellen zu lassen, bevor sie in ihre Heimat in Polen zurück kehrte. So etwas also gab es auch. Martin von Katte erfuhr von ihr, was sich nach der Besetzung in der Nacht vom 5. auf den 6. Mai 1945 durch die Rote Armee (s.a. 4) in Zollchow zugetragen hatte (1, S. 156):

Christina brachte Nachricht vom Tode meiner Mutter am 8. Mai; Christina berichtete zögernd, der Reihe nach. Wie die alte Dame am Fenster stand, als die beiden Granaten in unser Hausdach schlugen und auch wie unsere Hofrussen Abschied nahmen. (...) Des Nachts rollten die Sowjetpanzer durch das Dorf. Denunziert wurde nach Gut- und Schlechtdünken, dazu genügen wenige Personen. Den Herrn Bauernführer führte man ins Spritzenhaus; nach schwerer Folterung wieder freigelassen, wankte er über die Straße zurück ins Haus und erschoß seine schöne, schwer verletzte Frau und seine Kinder, ehe er die Flinte gegen sich selbst richtete. Daraufhin haben auch seine Schwiegereltern, die um zwei Hofstellen weiter wohnenden würdigen Windmüllersleute, ihr Leben beschlossen.

Diese Schwiegereltern waren das Ehepaar Schwarzlose (2). Sie haben sich in einer nahegelegenen Schonung an Bäumen aufgehängt. Alles das geschah am 7. Mai 1945. Und all das erinnert sehr an das Schicksal der Familie Zander, die sich vier Tage später in Nitzahn das Leben nehmen sollte (4). Von diesen Schicksalen wurde in der Bahnitzer Familie Bading, in der schon manches aus dem Erleben des Mai 1945 sehr genau erzählt wurde (4), nie so erzählt, daß das Angehörige der Enkelgeneration mit Bewußtsein wahrgenommen hätten. Es war wahrscheinlich in den Erzählungen schon präsent, wurde aber nur so angedeutet, daß es die Enkel gar nicht in seinen furchtbaren Dimensionen mitbekommen haben. Für diese waren auch die örtlichen und verwandtschaftlichen Verhältnisse zwei Generationen vor ihnen zu verwirrend, um für solche Andeutungen Interesse zu entwickeln.

Jedenfalls muß der Autor dieser Zeilen erst im Dezember 2017 diese Erinnerungen Martin von Katte's in die Hand bekommen, um zu erfahren, was die beiden vorigen Generationen in der Familie als traumatischstes Erleben offensichtlich mehr beschwiegen haben als daß sie darüber redeten. Oma Johanna Bading (1911-1984), als Bleis geboren in Zollchow, hatte sich mit ihren Kindern noch am 6. Mai in Zollchow befunden, wo sie mit vielen anderen Zollchowern sich in der Nacht zuvor im Wald eingegraben hatte (4). Sie fuhr aber noch am gleichen Tag mit dem Pferdefuhrwerk zurück ins ebenfalls von der Roten Armee besetzte Bahnitz (4). So wird sie von dem Schicksal ihrer angeheirateten Verwandten und der alten Gutsherrin in Zollchow auch erst Tage oder Wochen später erfahren haben zusammen mit so vielem anderen, was man in dieser Zeit erlebte und erfuhr. Von  so vielen Dörfern hörte man ja ähnliches. Vielleicht auch erst fünfzig Jahre später stand in der Zeitung lesen, welche schrecklichen Ereignisse sich etwa in dem Dorf Mögelin südlich von Rathenow ereigneten. So auch in Zollchow auf der anderen Seite der Havel. Martin von Katte schreibt weiter (1, S. 156f):

Den Gastwirt, der, im Verdacht, Zigaretten verschoben zu haben, Todfeinde hatte, führte man großartig vor das Kriegerdenkmal und erschoß ihn. Christina nannte noch andere, die in jenen Tagen Abschied nahmen.

Bei dem Gastwirt handelte es sich um Alwin Rahne (2). Martin von Katte's 72-jährige, schwerhörige Mutter sei ihres Hauses verwiesen worden, habe im überfüllten Haus des Gutsverwalters John gewohnt, habe im Garten Maiblumen gepflückt und diese in die Häuser der Bauern auf die Tische gelegt. Womöglich blieb ihr nicht mehr zu tun, da es auch kein ordentliches Begräbnis für die vielen ums Leben gekommenen Menschen allen Alters und Geschlechts gab in jenen Tagen:

Am dritten Tag, dem Dienstag, sah man die alte Dame zur Grille gehen wie seit Jahren zu gewohnter Stunde im gewohnten Lodenmantel (...) zwischen den frischen Schützenlöchern hindurch - nur daß sie einige Male stehen blieb und auf das Dorf zurück blickte.

"Grille" ist ein Ortsteil von Zollchow, der von der Familie von Katte im 19. Jahrhundert als Schäferei begründet wurde.***) Auf dem Grab ihres Ehemannes habe sie sich dann das Leben genommen. In ihrer Manteltasche habe sich ein Brief gefunden, der mit den Worten begann:

"Ich kann nicht mehr leben in diesem geschändeten Haus, ich helfe mir selbst."

Nach dem Freitod ihres Bruders Otto Bading und seiner Familie war nun Maria Hufschläger (gest. 2002) Hoferbin. Da der Hof aber über 60 Hektar Land besaß, wurde das Land noch im Sommer 1945 im Rahmen der Bodenreform eingezogen - ebenso wie das Gutsland von Katte und das Land des Grafen von der Recke (3, S. 23), der das Jagdschloß gekauft hatte. Maria Hufschläger wurde also sehr frühzeitig enteignet. Es liegen noch viele ihrer Eingaben vor, in denen sie gegen diese Enteignung in den Jahren 1945 bis 1948 Einspruch erhob, und erneut 1990 - immer ohne Erfolg. Ihre Familie und ihre beiden Kinder blieben in Zollchow wohnhaft bis nach 1990 ("Tante Mariechen Hufschläger").

Die Erinnerungen des Martin von Katte

In den Erinnerungen des Martin von Katte (1896->1987) finden sich auch sonst wertvolle Angaben zur Geschichte des Dorfes Zollchow und seiner Bauernfamilien während der 1930er und 1940er Jahre (1). Überhaupt lernt man in ihnen besser die Lebensverhältnisse in dieser Gegend kennen, insbesondere aus Sicht einer alt eingeborenen Adelsfamilie.

Einstweilen ist uns ansonsten über die Zollchower Badings nicht sonderlich viel bekannt. Der Hof dort hatte 66 Hektar Land, während der Bahnitzer Hof 44 Hektar hatte. Dementsprechend gab es schon während des Ersten Weltkrieges auf dem Bading'schen Hof in Zollchow 30 Kriegsgefangene. Zum Vergleich: auf dem Gutshof von Katte gab es 16 und auf dem Forsthof des Gutes von Katte gab es 13 (2). Ähnlich könnte es dann im Zweiten Weltkrieg gewesen sein, so daß der Hofinhaber, der zugleich Ortsbauernführer war, natürlich für viele Kriegsgefangene eine besondere Bedeutung gehabt haben wird in Zollchow. 

Während des Ersten Weltkrieges waren Otto Bading aus Zollchow (Abb. 1 oben rechts) und ein Wilhelm Bading aus Zollchow als Soldaten eingezogen, ebenso wie der Bahnitzer Vetter Gustav Bading und ebenso wie in Zollchow der Gutsbesitzer Georg von Katte und sein Sohn Martin von Katte (1896->1987) (2). Ebenso auch der spätere Zollchower Schwiegervater des Bahnitzer Otto Bading, nämlich Wilhelm Bleis. Martin von Katte kehrte als schwer verletzter Leutnant a. D. der Fliegertruppe aus dem Krieg nach Hause. Dort lebte er anfangs unter verarmten Verhältnissen (1). Der Forsthof des Gutes hatte verkauft werden müssen.

Der "jüngere" Zollchower Otto Bading heiratete - vielleicht schon in den 1920er Jahren - eine Helene Schwarzlose aus Zollchow, die dort nur zwei Höfe weiter aufgewachsen war. Das Ehepaar hatte zwei Kinder. Der Bahnitzer Vetter und Namensvetter Otto Bading (der Opa des Autors dieser Zeilen) heiratete 1932 Johanna Bleis aus Zollchow (5), die er vielleicht bei einem Verwandtenbesuch oder auf einer Familienfeier seiner Zollchower Verwandten kennengelernt hatte.

Über den Zollchower Gutshof wird berichtet (2):

Der Gutshof lag an der Nordostecke des Dorfes und war durch eine höhere rote Ziegelmauer vom Umfeld getrennt. Durch zwei Tore kam man auf die Anlage; der Hauptzugang erfolgte vom Ort aus; über das zweite Tor hinter den Viehställen zur Straße nach Vieritz am Kriegerdenkmal hin erreichte man kürzer die Grille*). (...) Erst 1926 übernahm Leutnant Martin von Katte das ganze Gut wieder.

Martin von Katte lebte geistig in den Traditionen seiner Vorfahren und im Adelsbewußtsein der Familie von Katte, die auch preußisches Offiziersbewußtsein mit einschloß (1).

Martin von Katte brachte einen Hauch von "großer Literatur" nach Zollchow

Im Zweiten Weltkrieg tat er beispielsweise Dienst in Finnland und lernte dort den General Dietl (1890-1944) (Wiki) persönlich kennen, von dem er mit großer Hochachtung schreibt. Auch fühlte sich Martin von Katte der Pflege der deutschen Sprache verpflichtet und veröffentlichte Gedichte. Aufgrund solcher Interessen und adliger, verwandtschaftlicher oder gutsnachbarlicher Verbindungen war er befreundet, bekannt oder verwandt mit vielen Menschen aus dem damaligen Literaturleben Deutschlands. In seinen Erinnerungen (1) werden Namen genannt wie Rudolf Alexander Schröder, Börries von Münchhausen, Karl Wolfskehl, Friedrich Franz von Unruh, Hermann Graf von Keyserling, Ernst Jünger und Wolf Jobst Siedler (s. a. Amazon 1978, Der Spiegel 1982, Die Welt 2000, PNN 2004). Von diesen weilten auch viele zu Besuch in Zollchow, besuchten als Taufpaten der Kinder Martin von Kattes die Zollchower Kirche.

In seinen Erinnerungen (1) erwähnt Martin von Katte nun auch mehrmals den Zollchower Bauern und Ortsbauernführer Otto Bading. Von Katte's zweiter Sohn "Petz" (Bernhard Heinrich von Katte), der 1941 vier Jahre alt war, der aber schon mit 10 Jahren 1947 an Diphterie sterben sollte, ging damals vom Gutshaus aus selbständig auf Wanderschaft im Dorf (1, S. 38f):

Mit der Zeit kam er in die meisten Häuser, hielt Vorsprache auch in den vornehmsten der Bauern Witthuhn, Wenzlau, Hübner und Bading. Bisweilen bekamen wir frohe Botschaft: "Gestern war Petz bei uns, das ist aber einer!"

Es wird auch über den "Bauer Berendt, genannt der Löwe," berichtet, "dessen Haus seit zwei Generationen der Gutsherrschaft gram war", und der wegen eines zu flickenden Loches im Zaun angemahnt worden war, das neben den Hausgänsen auch der kleine Petz benutzen würde:

Der Weißbärtige brauste nicht auf, sondern murmelte einlenkend: "Der kann auch vornherum kommen."

Über den Gutsnachbarn Günther von Kluge (1882-1944) (Wiki) aus Böhne wird von Martin von Katte für die Jahre 1942 oder 1943 berichtet (1, S. 105):

Eines Vormittags sagte sich der Nachbar aus Böhne an. Herr von Kluge kommt über die grüne gemeinsame Grabengrenze. Er ist Oberbefehlshaber des Heeres Mitte im Osten, doch jetzt geht es um komplizierte Fragen der Wassergenossenschaft. Ich bat unseren Schriftführer Otto Bading herüber, der zugleich "Ortsbauernführer" ist. Der meldet sich nach klärender Besprechung mit den Worten ab: "Herr Feldmarschall, wat wärt'n nu? Wi mütten uppassen." Auch mit dem Kreisbauernführer Hermann Mosow in Tuchheim (...) bestand Einvernehmen. (...) Bei einer Begegnung in der Waldstille (...) bremste er scharf, sprang aus dem Auto, um meine Hand vertraulich zu nehmen: "Katte, jlaubste noch?" Ein klar zweideutiges "Ja". Wortlos aufmunternder Abschied.

Hier ging es wohl um den Glauben an den "Endsieg". Der war für den Bahnitzer Otto Bading ja schon spätestens 1941 fragwürdig geworden. Dieser war 1941/42 seiner Ämter enthoben und zum Kriegsdienst eingezogen worden.

Nackter Materialismus nach 1945

Das Gutshaus von Katte wurde 1948, das Jagdschloß, bzw. Forsthaus von Katte, das einen Kilometer südlich des Dorfes in schönem Mischwald lag, wurde 1949 abgerissen (3, S. 28). Liest man die Erinnerungen des Martin von Katte (1) und hält sie zusammen mit so vielen anderen Erinnerungen von Angehörigen des ostelbischen Adels aus jener Zeit, wird einem erst bewußt, wie viel Kultur und Kulturbewußtsein damals insbesondere mit den märkischen Adelsfamilien vernichtet oder vertrieben worden ist. 

Fast möchte man sagen: Das Land Brandenburg hat mit ihnen sein Gesicht verloren. Und dieses Gesicht ist auch nach 1990 nicht wiederhergestellt worden, da die Enteignungen ja nicht rückgängig gemacht worden sind.

Auch in Zollchow gingen zudem viele der großen Bauern 1953 in den Westen. Auch diese Abwanderung der großen Bauern bedeutete eine starke Gesichtsveränderung für die Länder östlich der Elbe. Die Menschen haben sich in vierzig Jahren Kommunismus in ganz andere Lebensverhältnisse hinein gefunden als im Westen. Jahrzehnte lange Gewöhnung nutzt die Seelen ab, ob man unter dem kapitalistischen Materialismus des Westens oder unter dem kommunistischen Materialismus des Ostens lebte. 

Und bis heute wird über das erschütternde Geschehen bei Kriegsende mehr geschwiegen als gesprochen. Dabei hilft Austausch innerhalb der Gemeinschaft und gegenseitige Anteilnahme bei der Trauma-Verarbeitung (6).

_____________
*) Bei den Zollchower Verwandten handelte es sich um den Halbbruder, bzw. den Vetter der Bahnitzer Badings. Zur Erläuterung dieser Verwandtschaft: Der Großvater von Otto Bading (1906-1979) in Bahnitz, der 1901 gestorbene Friedrich Wilhelm Bading, hatte nach dem Tod seiner ersten Ehefrau ein zweites mal geheiratet. Aus dieser Ehe war Otto Carl Friedrich Bading (1873->1927) hervorgegangen, der die Tochter des Bauern Wernicke in Zollchow geheiratet hatte und der dort den 66 Hektar großen Hof der Wernickes übernommen hatte. 1927 ist dieser - vermutlich zusammen mit seinen Kindern und Enkelkindern - als älterer Herr auf einer Familienfotografie oben rechts zu sehen (Abb. 1), die aus Anlaß der Konfirmation der zweijüngsten Tochter Elfriede seines Halbbruders Gustav Bading (1870-1941) (Abb. 1 oben rechts) in Bahnitz entstand. - Dieser Zollchower Otto Bading der Ältere hatte zwei Kinder: Otto Bading und Marie, spätere in Zollchow verheiratete Hufschläger. Womöglich sind diese auch noch auf der Familienfotografie in Abb. 1 zu sehen, aber sie können einstweilen nicht sicher zugeordnet werden. 1927 hatte der Bahnitzer Otto Bading als Arbeiter in Sachsen die NSDAP kennen gelernt und war Mitglied in ihr geworden. Vermutlich ist auch sein Vetter und Namensvetter in Zollchow um diese Zeit in die NSDAP eingetreten.
**) Zur Konfirmation von Elfriede Bading (spätere nach Ingolstadt verheiratete Puhlmann - Tante "Elfriedchen", geboren 1913), die vorne Mitte-links neben ihrer Schwester Emma Lindenberg (Wusterwitz) steht, war viel Verwandtschaft in Bahnitz vor der Haustür von Hof Nr. 5 versammelt und ließ sich fotografieren: Tante Emma (Lindenberg, Wusterwitz) ist in der vordersten Reihe die dritte von links, ihre Schwester Elfriede die vierte von links. Ganz rechts in der vordersten Reihe steht ihrer beider Schwester Lucie. Und in der Mitte zwischen ihnen ihr Bruder Otto. Die Mutter von den vieren, Emma Bading, geborene Mohr, steht hinter Elfriede, der Vater der vier, Gustav Bading, steht ganz oben rechts. Neben ihm links steht sein Halbbruder, der Zollchower Otto Bading. - Dem Alter nach könnte der junge Mann rechts der Konfirmandin der Sohn des Zollchower Otto Bading, wiederum ein Otto Bading sein. Vor ihm könnte seine Frau Helene (geb. Schwarzlose) und ihre zwei Kinder stehen, rechts hinter ihm seine Mutter (geb. Wernicke). (Der alte Mann mit Bart ganz rechts war wohl der Stiefvater von Emma Bading, geb. Mohr, mit Familiennamen Meinecke aus Bahnitz.)
***) Jemand sagte: "Ach, das ist auch wieder so eine Grille von dem von Katte." Und dieser gab daraufhin der Schäferei diesen Namen (1).
_________________________________________________
  1. von Katte, Martin: Schwarz auf Weiß. Erinnerungen eines Neunzigjährigen. Wolf Jobst Siedler Verlag, Berlin 1987
  2. Geffert, Hans-Joachim: Zollchow - Eine unvollständige Chronik. Nach Notizen der Lehrer Fritz Geffert und August Brand. 2011, http://www.milow.de/verzeichnis/visitenkarte.php?mandat=187048 
  3. Anft, Gisela: Chronik Zollchow, 1993, http://www.milow.de/verzeichnis/visitenkarte.php?mandat=187048 
  4. Bading, Ingo: Der 4. Mai 1945: Das Kriegsende in den Dörfern des Havelbogens Möthlitz, Kützkow und Bahnitz - Eine regionale Studie zu den letzten Kämpfen des Zweiten Weltkrieges. Auf: Studium generale, 7. August 2011, http://studgendeutsch.blogspot.de/2011/08/der-4-mai-1945-das-kriegsende-in-den.html
  5. Bading, Ingo: Bauern, Büdner, Häusler, Grenadiere und Kuhhirten - Meine Oma und ihre Vorfahren aus dem Dorf Zollchow im Havelland. Preußenblog, 30. September 2017, http://preussenlebt.blogspot.de/2017/09/bauern-budner-hausler-und-kuhhirten.html 
  6. An evolutionary theory of moral injury with insight from Turkana warriors. Matthew R. Zefferman, Sarah Mathew. In: Evolution and Human Behavior, Available online 16 July 2020, https://doi.org/10.1016/j.evolhumbehav.2020.07.003, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1090513820300829

Samstag, 23. Dezember 2017

Der Amalthea-Garten in Neuruppin

Ein edler Rokoko-Garten im Sinne Friedrichs des Großen sieht anders aus als die heutige Gestaltung des Gartens

1758, mitten im Siebenjährigen Krieg, starb Wilhelmine von Bayreuth (1709-1758)(Wiki), die Lieblingsschwester Friedrichs des Großen. Nachdem der Krieg im Jahr 1763 endlich hatte beendet werden können, ließ Friedrich der Große im Jahr 1768, zehn Jahre nach ihrem Tod, in der Nähe des von ihm bis 1769 errichteten Neuen Palais (Wiki) im Schlosspark von Sanssouci einen Freundschaftstempel errichten zur Erinnerung an seine Schwester. Dieser steht dort heute noch so wie damals. Er errichtete diesen Tempel in Erinnerung an glückliche Jugendjahre in Neuruppin (Wiki):

Als Vorbild für den Freundschaftstempel diente der Apollotempel im Amaltheagarten in Neuruppin. Das Erstlingswerk des Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff entstand 1735 in einem Zier- und Nutzgarten, den Kronprinz Friedrich an seinem Wohnsitz in der brandenburgischen Stadt anlegen ließ, wo er von 1732 bis 1735 Befehlshaber eines Regiments war. Der Apollotempel war ein offener Rundtempel, der jedoch 1791 durch Ausmauerung der Säulenzwischenräume geschlossen wurde. Im August 1735 schrieb Friedrich an seine Schwester Wilhelmine: „Das Gartenhaus ist ein Tempel aus acht dorischen Säulen die eine Kuppel tragen. Auf ihr steht die Statue des Apollos. Sobald es fertig ist, werden wir Opfer darbringen - natürlich Dir, liebe Schwester, der Beschützerin der schönen Künste.“
Abb. 1: Freundschaftstempel, Sanssouci, Potsdam
(Fotograf Paul Odörfer, Herkunft: Wiki)

Der Apollotempel des Kronprinzen in Neuruppin war also, wie im Zitat eben erwähnt, schon fünf Jahre nach seinem Tod baulich stark verändert worden und ist es bis heute geblieben. Man versteht nicht, warum diese bauliche Veränderung nicht wenigstens heute, anläßlich der gründlichen Renovierung dieses Tempels wieder rückgängig gemacht worden ist. 

Wer sich in Neuruppin erinnern will an die Art, wie der dort zu besichtigende Apollotempel von seinem Erbauer eigentlich gedacht gewesen ist, der ist gut beraten, den nachmals errichteten Freundschaftstempel in Sanssouci in Erinnerung zu behalten.

Abb. 2: Der Plan von Knobelsdorff für den Apollotempel in Neuruppin, 1734
(Herkunft: Wiki)

Die Stadt Neuruppin in der Prignitz, eine Autostunde nördlich von Berlin auf dem Weg nach Hamburg, war zu Friedrichs Zeiten und ist bis heute von einer mittelalterlichen Stadtmauer aus Backsteinen umgeben. Dieser Stadtmauer vorgelagert waren zu Friedrichs Zeiten und sind bis heute zwei parallel verlaufende Wassergräben (1), die mit hohen Bäumen bewachsen waren - ebenfalls damals wie heute. Der dadurch entstandene fast geschlossene Grünstreifen schloß und schließt sich zu weiten Teilen rund um den mittelalterlichen Stadtkern.

Ab 1732 ist Kronprinz Friedrich, der nachmalige preußische König Friedrich der Große, von seinem Vater zum Kommandeur des in Neuruppin stationierten Regiments ernannt worden und zog in diese Stadt.

Der Kronprinz hatte ein Haus ("Palais") im nördlichen Teil der mittelalterlichen Stadt bezogen, in der Nähe des nach Norden gehenden Rheinsberger Tores. Der Garten des Palais stieß an die Stadtmauer. Der Kronprinz ließ sich eine Pforte in die mittelalterliche Stadtmauer schlagen, damit er nach Dienstschluß vor derselben unter den Bäumen spazieren gehen konnte. Zu jener Zeit wollten die Neuruppiner gerade damit beginnen, diese Bäume über den genannten Wassergräben zu fällen. Sie blieben auf Wunsch des Kronprinzen erhalten. Und an diesen Wunsch hat  man sich in Neuruppin bis heute - zum Wohle der Stadt - gehalten.

Dem Kronprinzen ist es also zu danken, daß dieser Grünstreifen rund um die Stadt bis heute erhalten geblieben ist. Allerdings ist nicht erhalten geblieben die damalige Ruhe. Der Grünstreifen wird in Teilen von einer viel befahrenen Straße begleitet. Auch bietet sich nicht mehr wie früher ein Ausblick mehr hinaus in die Landschaft an. Denn hinter der Straße kommen heute erneut viele der Vorstadt, die sich heute bis zum Bahnhof und darüber hinaus zieht.

Abb. 3: Erläuterungstafel im Amaltheagarten in Neuruppin

Damals gefiel dem Kronprinzen die Gegend vor der Stadtmauer so gut, daß er vor der Südwestecke derselben ein größeres Gartengrundstück erwarb und zwar dort, wo die Mauer und der sie begleitende Stadtgraben seine Richtung wechselten von Südwesten nach Südosten, wo er also von der einen zur anderen Richtung abknickte.*) An dieser Ecke ließ er zwischen den beiden Stadtgräben einen Hügel aufschütten und errichtete auf diesem Hügel den schon genannten antiken Apollo-Tempel.

Die gestalterische Idee für den Amalthea-Garten

Wenn man eine Radierung von A. W. von Knobelsdorf von dem von ihm errichteten Apollo-Tempel inmitten des von ihm und dem Kronprinzen angelegten Amalthea-Gartens sieht (womöglich auch erst als Entwurf angefertigt) (Abb. 4), bekommt man eine Ahnung davon, welche gestalterische Idee der damaligen Gartenanlage zugrunde gelegen haben könnte. Nämlich die einer hügeligen, "wildromantischen" Landschaft. Diese war auch inmitten des hier gelegenenen Richtungswechsels ("Knicks") der Stadtwällen gut anzulegen und diese Wälle waren an dieser Stelle gut dafür zu nutzen. Und indem man von dieser gestalterischen Idee Kenntnis nimmt, macht es für einen zum ersten mal wirklich Sinn, daß sich der Kronprinz ausgerechnet gerade diese Ecke ausgesucht hatte, um einen Garten anzulegen: Die Wälle sollten eine hügelige Landschaft vorstellen. 

Abb. 4: Radierung A. W. von Knobelsdorffs - Amalthea-Garten, 1730er Jahre (aus 3, Abb. 7)

Die heutigen Gartengestalter glauben trotz eifrigster historischer Studien die früheren Gartenanlagen, die der Kronprinz hatte anlegen lassen, auch seinen Zier- und Nutzgarten nicht mehr rekonstruieren zu können. Steht man allerdings heute auf dem Hügel vor dem Tempel und blickt von dort nach Südwesten auf den Garten hinunter, so kann man sich vor seinem inneren Auge doch vergleichsweise leicht einen sich dort entfaltenden Rokoko-Garten hinzaubern nach der Art wie er später ebenfalls in Sanssouci oder anderwärts Verwirklichung gefunden hat. Man denke auch an den Blick vom Schloß Sanssouci zum wildromantischen Ruinenberg (Wiki) daselbst, um eine Vorstellung von der gestalterischen Idee zu bekommen.

Dabei ist womöglich zu berücksichtigen, daß der Kronprinzen-Garten nicht die Länge des heutigen Gartens hatte. Denn die heutige diesen Garten begrenzende 1787 angelegte Straße (Präsidentenstraße) verläuft womöglich mehr zurück verlegt als die historische Straße vor der Stadtmauer (1). Das innere Auge sieht vor sich vor allem parallele, abgestufte Reihen und dann auch - wohl vor allem über die heutige Gartenmauer Richtung Nordwesten hinausgehend und wie vom Kronprinzen beschrieben - Beete, in denen Gemüse und Obst angebaut worden ist. Im Hintergrund Weiden mit Kühen.

Wie trotz der vielen großen Bäume in der Radierung von Knobelsdorff, die so viel Schatten geworfen haben, die hier angelegten Beete mit Melonen, Weintrauben, Kirschen und Spargel genug Sonne bekommen haben können, muß auch gefragt werden. Aber man weiß ja von den anderen Gartenanlagen des großen Königs und auch sonst, wie sehr er die Sonne und das Licht liebte. Das innere Auge sieht also vor sich wechselhafte, mal wild romantischen, mal im Rokoko-Stil eingegten sonnigen, heiteren, lichtdurchfluteten Garten.

Abb. 5: Der Amaltheagarten in Neuruppin,
der in seinem jetzigen Zustand eine fürchterliche Halbheit repräsentiert

Die heutigen großen Umrisse der Gestaltung des Gartens stammt von der Neuruppiner Unternehmer- und Künstlerfamilie Gentz**). Sie weicht in ihrem ganzen Charakter allzu deutlich von der Gestaltung eines Rokoko-Gartens ab wie er von dem Kronprinzen selbst hatte gestaltet sein können. Da aber die Künstlerfamilie Gentz so viel Bausubstanz in Form von Gebäuden und in Form der Gartenmauer schuf und da man - vielleicht etwas gar zu phantasielos? - glaubte, keine rechten und konkreten Anhaltspunkte zu finden zur Rekonstruktion des Gartens wie er zu Zeiten des Kronprinzen bestanden hat, hat man sich nicht dazu durchringen können, einen in seiner Gestaltung einigermaßen einheitlichen Rokoko-Garten wieder zu konstruieren wie es allein der Erinnerung an den großen König und die weltgeschichtliche Epoche, die er prägte, könnnte als angemessen empfunden werden.

Man muß sich doch schließlich klar machen, daß dieser Garten heute niemals so viel Aufmerksamkeit erhalten würde, wenn man sich in ihm nur an die Künstlerfamilie Gentz erinnern könnte. Dann hätte er höchstens stadt- oder regionalgeschichtliche Bedeutung. Allein die Tatsache, daß hier eine Persönlichkeit vom Format des späteren Königs Friedrichs II. einen Garten mit Tempel angelegt hatte, gibt dieser Stätte die Bedeutung.

Und wenn es denn keine konkreten historischen Anhaltspunkte mehr gibt, wie der Garten des Kronprinzen gartenarchitektonisch ausgesehen haben könnte, so besteht doch zumindest ein großes Interesse daran zu erfahren, wie man diesen Garten rekonstruiert hätte, wenn man eben nicht auf die Neugestaltungen und Überbauungen durch die Stadtplanung von 1787 und durch die Künstlerfamilie Gentz hätte Rücksicht nehmen müssen oder auch nur: glaubte Rücksicht nehmen zu müssen. Gibt es dazu gestalterische Ideen? Es hätte dann ein Einfühlen stattfinden müssen in die Formensprache der Gartengestaltung zur Zeit des Kronprinzen. So schwer kann das doch für Gartenbauhistoriker nicht sein. Der gegenüber dem heutigen Garten andere Grundriß kann doch offenbar konstruiert werden. Und dann kann sich doch vor dem inneren Auge der entsprechende Garten entfalten.

Uneinheitlichkeit und Unruhe der heutigen Gartengestaltung

Eines ist klar: Vor allem durch die in den heutigen, von der Familie Gentz ummauerten Garten "hineinragenden" Stadtgräben - in denen zudem im 19. Jahrhundert von biederen Bürgern eine Kegelbahn angelegt gewesen war, die man im übrigen natürlich heute ebenfalls noch glaubt, in Erinnerung behalten zu müssen - erhält der Gesamteindruck des Gartens eine Unruhe und eine Uneinheitlichkeit, wie man sie nur schwer mit dem ganzen Wesen des Kronprinzen und des nachmaligen preußischen Königs glaubt, vereinen zu können. Kurz gesagt: Man findet Friedrich den Großen in dem heutigen Garten gar nnicht wieder. Sogar sein Apollo-Tempel bleibt weiter vermauert! Noch nicht einmal das einzige originale Bauwerk Friedrichs an diesem Ort wurde also in den Originalzustand zurück versetzt. Alles atmet "Gentz".

Diese heutige Unruhe mag der "Künstlerfamilie" Gentz nicht störend gewesen sein. Demjenigen, der sich an den heiteren Kronprinzen der Jugendjahre zurück erinnern möchte, erleichtert sie dieses Vorhaben kaum. Man bleibt auf Rheinsberg angewiesen, wenn man sich architektonisch und gartenarchitektonisch an die Zeit des Kronprinzen erinnern möchte.

Man wird doch annehmen dürfen, daß die Stadtgräben, die zu des Kronprinzen Zeiten an des Kronprinzen Garten endeten, zumindest durch Hecken und Büsche blickdicht vom übrigen, von ihm angelegten Garten getrennt waren. Denn die Unruhe, die schon allein von diesen Gräben heute ausgeht, weil sie in die Gentz'sche Gartenanlage und ihre Ummauerung in ihren Endteilen mit einbezogen sind, paßt doch gar nicht zu der Ruhe eines Rokoko-Gartens im Sinne des Kronprinzen. Das kann man sich kaum vorstellen. Bekanntlich sind auch in Rheinsberg und in Sanssouci Wassergräben oft blickdicht von anderen Gartenbereichen getrennt. Das fiel ja den Gartengestaltern des Rokoko auch nicht so schwer.

Womöglich waren zu des Kronprinzen Zeiten die Gräben auch viel "wilder" mit Bäumen überwachsen als das heute der Fall ist, wo man in den Gräben selbst keine Bäume mehr wachsen läßt. Dadurch ergibt sich womöglich eine "Künstlichkeit", die sich von dem "Wildromantischen" entfernt, das dem Kronprinzen als gefällig erschienen haben mochte an diesen bewaldeten Wällen. Ob dieser Frage schon einmal nachgegangen worden ist? Dieser Gedanke kommt uns beim Anblick der Radierung von Knobelsdorff (Abb. 4).

Der jetzige Zustand des "Tempelgartens" stellt etwas "Halbes" dar. Es fällt einem - anders als in Rheinsberg und Sanssouci - schwer, sich vor Ort in das heitere, lebensästhetische Wollen des Kronprinzen zurück zu versetzen. Hören wir deshalb noch über einiges historisch Bezeugte über den Aufenthalt des Kronprinzen in Neuruppin (Tempelgarten.de):

Am 28. Juni 1732 rückte der Kronprinz in Neuruppin ein. Er wurde feierlich und festlich von den Bürgern der Stadt begrüßt. Eine königliche Order seines Vaters hatte dafür gesorgt, daß zuvor der Abputz der Häuser vorgenommen und der Kot aus der Stadt geschafft wurde. Auch den Militärgalgen auf dem Neuen Markt, wo man die Deserteure zu hängen pflegte, hatte man aus der Stadt entfernt. Gleich nach seinem Einzug in Neuruppin ließ Friedrich auf den Wallanlagen seinen „Amalthea-Garten“ anlegen, der zunächst vor allem als Nutzgarten diente, in dem u.a. Spargel, Melonen, Weintrauben und Kirschen geerntet wurden. Sogar Milchwirtschaft und Hühnerzucht fanden Platz. Der Garten war aber auch Stätte der Kontemplation, musischer Darbietungen und nicht zuletzt Treffpunkt für geselliges Treiben mit den Offizieren. Amalthea ist jene griechische Nymphe, deren abgebrochenes Horn als Inbegriff für reichen Überfluss, als „Füllhorn“ gilt.
Im Jahre 1735 errichtete ein befreundeter, bis dahin eher als Maler in Erscheinung getretener junger Baumeister dort nach den Vorstellungen Friedrichs einen Apollo-Tempel, der (...) noch heute das Zentrum des Gartens bildet (...). Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff erhielt danach noch vielfach Gelegenheit, sich in Aufträgen für Friedrich auszuzeichnen: Unter anderen sind Sanssouci, die Lindenoper, die französische Kirche in Potsdam und der Neue Flügel des Schlosses Charlottenburg sein Werk. (...) Hier in Neuruppin begann der Kronprinz seinen Antimachiavell. Kurz vor seinem Umzug nach Rheinsberg im August 1736 eröffnete er die Korrespondenz mit Voltaire.

Ab 1853 wurde dieser Amalthea-Garten von Alexander Gentz nicht nur erworben, um das Andenken an den König Friedrich von Preußen zu ehren, sondern um den Garten in verunstalteter Form wieder herzurichten, wobei nur wenig originalen Erinnerungen an den preußischen König und die Gartengestaltung zu seiner Zeit übrig blieben. Die von Gentz aufgestellten barocken Figuren stammten zumeist aus Dresden. Immerhin waren sie zu Lebzeiten von Friedrich geschaffen worden.

Heute versucht man, an diesem Ort sowohl die von Gentz errichteten "Kleinodien orientalischer Baukunst" zu erhalten wie an den originalen Zustand des Amalthea-Gartens zur Zeit des Kronprinzen zu erinnern. Der Geist der Gentz'schen Bauten ist aber ein ganz anderer, gegensätzlicher als der Geist all dessen, was zunächst der Kronprinz und dann der König gestaltet hat.

Es ist bei der heutigen Gestaltung ein Mischmasch von Stilen heraus gekommen. Es fehlt eine einheitliche gestalterische Idee, die allem zugrunde liegt. Wäre es nicht besser, die Gentz'sche Gestaltung der Anlagen an anderem Ort neu aufzubauen (wenn sie einem denn so "kleinodienhaft" vorkommen) und die Örtlichkeit hier ganz nach dem Sinne der Gestaltung des Kronprinzen wieder herzurichten so weit das aufgrund der veränderten Straßenführung heute noch möglich ist? Dadurch würde doch wenigstens die jetzt fehlende Einheitlichkeit zurück gewonnen werden. 

 

/ Ergänzung um die Abb. 4 
und Ausführungen, die 
durch sie veranlaßt werden:
26.10.2021 /

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*) Nach dem großen Stadtbrand wurde an dieser Stelle die Stadtmauer verlängert und damit die Stadt vergrößert, sie knickt also heute nicht mehr an der früheren Stelle ab (1). Im Mauerwerk ist aber erkennbar, wo die ältere Mauer auf die jüngere Mauer stößt. Womöglich führte der Bau der neuen Stadtmauer auch über einen Teil des vorherigen friderizianischen Amalthea-Gartens. In jener Zeit war man ja auch so roh und mauerte die Zwischenräume zwischen den Säulen des Apollo-Tempel zu.
**) Der Neuruppiner Geschäftsmann Johann Christian Gentz (1794-1867) (Wiki), sowie seine Söhne, der Orient-Maler Karl Wilhelm Gentz (1822-1890) (Wiki) und der Unternehmer Ludwig Alexander Gentz (1826-1888) (Wiki).
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  1. Stadtbrand Neuruppin und Aufbauplan Neuruppin 1787. Spreevideo, 31.1.2016, https://www.youtube.com/watch?v=55kfscxtX-4
  2. Reyk Grunow: Tempelgarten wird völlig umgekrempelt. In: Märkische Allgemeine, 26.7.2016, http://www.maz-online.de/Lokales/Ostprignitz-Ruppin/Tempelgarten-wird-voellig-umgekrempelt
  3. Dietrich Zühlke u.a.: Ruppiner Land. Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme in den Gebieten von Zühlen, Dierberg, Neuruppin und Lindow. Band 37 von "Werte unserer Heimat". Akademie-Verlag, Berlin 1981 (GB)

Freitag, 3. November 2017

Das Westhavelland im Dreißigjährigen Krieg

Das Kriegsziel des Kaisers wurde - fast - erreicht: "Lieber eine Wüste als ein Land voller Ketzer"

Den Endtagen des Zweiten Weltkrieges im Havelbogen zwischen Brandenburg und Milow ist hier auf dem Blog schon ein ausführlicher Aufsatz gewidmet worden (1). Dieser Aufsatz gehört seit Jahren zu den meistgelesenen des Verfassers. Mit Recht zieht das Thema Aufmerksamkeit auf sich.

Dreihundert Jahre zuvor gab es in den gleichen Gegenden vergleichbare Kriegszeiten. Wie konkret der Dreißigjährige Krieg jedes einzelne Dorf im Havelland traf, wie auch die Kriegsabläufe im Havelland in den größeren Zusammenhängen sich vollzogen haben, in Zusammenhängen, die sich auf jedes einzelne Dorf des Havelbogens auswirkten, das ist heute nur noch wenigen Menschen bewußt. Es ist sogar sehr schwierig, detaillierte und verständliche Darstellungen darüber zu finden, die auf breiterer Quellengrundlage erarbeitet sind.

Die noch heute maßgebliche geschichtswissenschaftliche Darstellung (2) wurde zwischen 1933 und 1939 von einem Studenten der Universität Berlin erarbeitet. Der Student selbst ist Ende Mai 1940 mit 27 Jahren als Soldat im Krieg gegen Frankreich gefallen (2, S. IXf). Ein Historiker des Krieges fällt im nächsten Krieg. Wie lange soll sich diese Reihe fortsetzen? Die genannte Darstellung erschien 1966 aus dem Nachlaß. Sie ist im folgenden ausgewertet worden zusammen mit den Hinweisen, die sich in vielen Dorfchroniken der Gegend finden. Die Hinweise in den Dorfchroniken können isoliert für sich kein zusammenhängendes Bild ergeben. Um die überregionalen Zusammenhänge nachvollziehen zu können, ist zusätzlich auch die Darstellung von Leopold von Ranke als gewinnbringend genutzt worden (11).

Abb. 1: Ochsengespann mit Reitern - Holzschnitt (1915)
von Walther Klemm (1883-1957) (Wiki)

Fast alle brandenburgischen Länder waren seit der Mitte des 16. Jahrhunderts evangelisch-lutherisch geworden.  Es ist heute kaum noch zu verstehen, daß als fanatische Gegenbewegung dazu in Spanien der Jesuitenorden gegründet wurde, bis heute ein Orden mit allen scharf umrissenen Merkmalen einer Psychosekte. Dieser Orden sollte damals sehr rasch großen Einfluß in der katholischen Kirche und in der Politik bekommen. Durch diesen fanatischen Jesuitenorden war der nachmalige deutsche Kaiser des Dreißigjährigen Krieges, Ferdinand II. (1578-1637) (Wiki) erzogen worden. Alle seine Beichtväter während seiner Lebenszeit waren Jesuiten. Und im Geiste der Erziehung dieses Ordens wollte Ferdinand, was er schon zu seinen österreichischen Erblanden sagte: "lieber eine Wüste denn ein Land voller Ketzer" beherrschen. In diesem Sinne hat dieser furchtbare Kaiser sein Leben lang Politik getrieben. Die Folge dessen war der Dreißigjährige Krieg.

Und in diesem Sinne herrscht die Psychosekte Jesuitenorden noch heute in der Welt, indem sie auf ihren Elite-Gymnasien mit Hilfe systematischer Gewalt an Kindern und Jugendlichen zahlreiche Vertreter der wirtschaftlichen, politischen und "kulturellen" Eliten der Gegenwart heran zieht, und indem sie sich des US-amerikanischen und anderer Geheimdienste bedient, indem sie die Presse und die Medien in ihrem Sinne lenkt, indem sie die Politik der großen Parteien lenkt, sowohl der christlichen wie auch der sozialdemokratischen wie der grünen, indem sie weiterhin alle Opposition gegen sich selbst "zersetzt", und indem sie insbesondere in den letzten Jahrzehnten auch die Familienpolitik der großen Parteien auf der Nordhalbkugel lenkt. Weiterhin gilt für diesen Orden, daß es eher eine Wüste denn ein Land voller Ketzer und Kritiker von Kirchen und Männerorden geben sollte. (In diesem Sinne zum Beispiel wird seit der jesuitischen Regierung Adenauer die Einführung eines Familienlastenausgleiches verhindert, der von zahlreichen Sozialreformern, in Verfassungsgerichtsurteilen und Familienberichten immer und immer wieder angemahnt worden ist.)

Der fanatische Jesuitenorden

In Europa betreibt der Jesuitenorden heute weiterhin fanatisch die Zerstörung fortgeschrittener Gesellschaften und Völker, die der katholischen Kirche und der Pfaffenherrschaft kritisch bis ablehnend gegenüber stehen. Jedes Mittel ist ihm dabei recht. Es gibt Hinweise, daß es viele Überlappungen gibt zwischen dem freimaurerischen und dem jesuitischen elitären Satanismus und dem damit verbundenen "Mind control" der Geheimdienste (siehe etwa: 3). Heute geht der Jesuitenorden also bestimmt nicht weniger über Leichen als im Dreißigjährigen Krieg. Auch um dessentwillen ist eine detaillierte Erinnerung an die Ursachen und Folgen des Dreißigjährigen Krieges jederzeit am Platze.

Während deutsche Kaiser einstmals - in der Salier- und Stauferzeit - weltweit zu den gefürchtesten Gegnern des Papsttums zählten, war es in der Zwischenzeit so weit gekommen, daß ein deutscher Kaiser zu einem der fürchterlichsten Despoten und Kriegshetzer der deutschen Geschichte werden konnte. Dies alles geschah zur "höheren Ehre Gottes", zur Verherrlichung weltweiter päpstlicher Herrschaft und der Herrschaft einer Priesterkaste und Psychosekte, die seit Jahrhunderten Seelenmord an den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen betreibt durch Gewalt, Schwarze Pädagogik und Mind control in allen denkbaren Formen.

Der Schreckensherrschaft des Kaisers Ferdinand II. und seiner Feldherren ist es vor allem zu verdanken, daß es zu einem dreißigjährigen Religions- und Rekatholisierungskrieg in Deutschland gekommen ist, zu einer Ausrottung der "Ketzer" und ihrer "Ketzernester" und zur Verwüstung fast ganz Deutschlands - und nicht zuletzt auch des Landes Brandenburg und in ihm des Havellandes.

Das Westhavelland, bzw. der Elb-Havel-Winkel, die Landkreise Jerichow I und II, sowie das Land Brandenburg insgesamt sollte der Dreißigjährige Krieg ungewöhnlich schwer treffen. Wenn man die damaligen Zeugnisse liest, liest man sie noch heute mit viel Ungläubigkeit. Auch drängt sich der Eindruck auf, daß es diese Gegend fast noch schwerer getroffen habe als viele andere Regionen des Deutschen Reiches. Wendet man sich dann aber anderen Regionen Deutschlands zu in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, findet man dort ein völlig identisches Bild. In diesen dreißig Jahren wurde das Wort wortwörtlich wahr gemacht in ganz Deutschland: Lieber eine Wüste als ein Land voller Ketzer ....

Das Schicksal des Landes Brandenburg im Dreißigjährigen Krieg hatte aber eine entscheidende weltgeschichtliche Folge, die heute von der jesuitisch gelenkten Presse fast ebenso vergessen gemacht worden ist wie das Geschehen des Dreißigjährigen Krieges selbst: Diese Folge war nämlich der Aufstieg des Staates Preußen. Allen Landesherren von Brandenburg seit der Zeit des Dreißigjährigen Krieges - vom Großen Kurfürsten an - war mit dem furchtbaren Schicksal ihres Landes während des Dreißigjährigen Krieg in aller Deutlichkeit vor Augen gestellt worden, wohin ein Land kommen kann, wenn es sich den Luxus leistet, kein stehendes Heer aufzustellen und zu unterhalten. Das Vorliegen dieser Einsicht wird am Ende dieses Beitrages noch einmal anhand von Zitaten von Friedrich dem Großen selbst deutlich gemacht werden. Nur vom Schicksal des Dreißigjährigen Krieges her kann historisch verstanden werden, daß seither in Preußen dem stehenden Heer eine so große Bedeutung zugekommen ist, ja, daß der Stolz auf Soldaten hier eine so besondere Rolle spielen sollte bis 1945. Man wollte niemals mehr so lächerlich wehrlos sein wie im Dreißigjährigen Krieg. Diese Militarisierung des deutschen politischen und kulturellen Lebens haben wir also - indirekt - den Jesuiten zu verdanken, den "Soldaten Christi", der "Prätorianer-Garde" des Papstes.

Anregung zu dem vorliegenden Blogbeitrag war in einem früheren Blogbeitrag gegeben worden (Preußenblog, 21.4.17). Dort war die kurze Aktennotiz auf dem Gut Kützkow an der Havel vom 2. Januar 1646 gebracht worden darüber, daß aus Anlaß der Schlacht bei Wittstock am 4. Oktober 1636

"die Kirche zu Bahnitz ihre Kirchenrechnung und Kirchenbuch verlohren, auch seithero keine Rechnung gehalten, auch nichts von den Kirchengeldern abgetragen worden," 
und auch die damit einhergehende Angabe zu den großen Heuwiesen des Dorfes:
"Der Priesterwerder ist in 12 Jahren nicht gemehet worden, undt der vorigen Priester nachgelassene Erben geben nichts zum besten, weil sie in den betrübten Kriegswesen umb alles kommen, derwegen man zu keiner Bezahlung gelangen kann. Der andere Werder ist auch nicht gemehet worden."

Das heißt, die Heuwiesen an der Havel sind schon seit 1634 nicht mehr gemäht worden. Schon diese wenigen Angaben werfen Licht - ganz blitzartig - auf die Verhältnisse, in denen die Bauern in dieser Region - auch auf dem Dorf Bahnitz - während des Dreißigjährigen Krieges gelebt haben. Sie lassen die Frage entstehen, wie diese Menschen denn den Dreißigjährigen Krieg erlebt haben, was alles damit verbunden gewesen ist. Um hier zu einem anschaulicheren Bild zu kommen, erschien es zunächst ratsam, seinen Blick etwas schweifen zu lassen, etwa in den Chroniken der Dörfer rund um im Land zwischen Havel und Elbe. Fast jede Dorfchronik eines ganz gewöhnlichen Dorfes zwischen Havel und Elbe weiß, so stellt man dabei fest, von grausamen Schicksalen während des Dreißigjährigen Krieges zu erzählen (Auswahl: 1-5). Das wurde im folgenden zusammen gestellt und abschließend durch die genannte umfassendere geschichtswissenschaftliche Darstellung (2) ergänzt und abgerundet.

Frühjahr 1626 - Die Stadt Brandenburg fordert: Versenkt die Pritzerber Fähre, Wallenstein kommt!

1626 nach dem Ende des Winters kommt der Krieg erstmals mit all seiner Wucht in den Elb-Havel-Winkel. Aus den Winterquartieren im Lauenburgischen und von Magdeburg her besetzten die dänischen Truppen unter dem Grafen Mansfeld die Rhinbrücke von Fehrbellin und die Havelbrücke von Plaue, um die erstere Richtung Süden und das letzterer Richtung Osten gegen das Heer des Feldherrn Wallenstein zu sichern. Der Kurfürst von Brandenburg stand zwar auf Seiten des Kaisers gegen den dänischen König. Aber die von ihm aufgebotenen Milizen konnten beide Besetzungen nicht verhindern. Als Wallenstein langsam gegen Norden vorrückte, zogen sich die Magdeburger kurzzeitig wieder zurück (2, S. 21):

Wallenstein hütete sich wohl, sie verfolgen zu lassen. Zu groß wäre im Falle einer Verfolgung die Gefahr eines Angriffs auf die Flanke der verfolgenden Soldaten durch [den dänischen Feldherrn] Fuchs gewesen. Alle glaubten nun [aber dennoch], daß sich Wallenstein gegen das Havelland wenden würde. Die Brandenburger [also die Einwohner der Stadt Brandenburg] forderten daher von der Regierung den Abbruch der Plauer Havelbrücke und die Versenkung der Pritzerber Fähre. Nichts von dem geschah. Wallenstein zog seine Truppen wieder über die Elbe zurück.

Die Versenkung der Fähre wurde gefordert, weil die Havel leicht zu durchschwimmen war von Soldaten mit und ohne Pferden und man sich die Fähre also leicht holen konnte. Hier wird schon deutlich, was für alle kommenden Ereignisse und das gesamte 17. Jahrhundert - auch noch nach dem Dreißigjährigen Krieg - gelten sollte: Es ging in militärischen Auseinandersetzungen:

  1. in erster Linie um die Brücken über die Flüsse Rhin, Elbe und Havel, ja, wie wir sehen werden sogar um den Übergang über das kleine Nebenflüßchen Stremme, sowie um Flußfähren und Kähne, die diese Brücken ersetzen konnten. 
  2. In zweiter Linie ging es um die Städte, die zwar mit Stadtmauern befestigt waren, aber gegenüber Kanonen nicht wirksam verteidigt werden konnten.
  3. Und erst in dritter Linie ging es um die Dörfer im Umland der Städte, in denen militärische Einheiten in Quartier unterziehen konnten und wo sie sich "ernähren" konnten.

Schon von Beginn des Krieges an wurden alle landesfremden, militärischen Truppen als Landesplage und Räuberhorden empfunden, als "Landverderber" (2, S. 29). Denn fast nie anders denn als solche gebärdeten sie sich. Es war dabei ganz gleichgültig, ob es sich um den Durchzug von Truppen befreundeter oder feindlicher Länder handelte.

Die Mansfelder Truppen trieben zunächst in der Stadt Nauen und auf den Dörfern rund um Nauen ihr Unwesen. Die Magdeburger Truppen besetzten Rathenow - unter Gegenwehr der Einwohner - und von dort aus wiederum Plaue. Von Plaue aus wurden schließlich auch die Altstadt und die Neustadt von Brandenburg besetzt. Beides nur unter Zuhilfenahme von Gewalt, da sich die recht kriegerischen Einwohner wehrten. Mansfeld selbst kam in die Stadt Brandenburg. Um diese Stadt zog er nun von allen Seiten her seine Truppen heran. Und von hier aus begann er seinen Vormarsch gegen Wallenstein. Wallenstein hatte sich an der Elbe bei Dessau verschanzt.

Dort - bei der Elbebrücke von Roßlau (Wiki) - kam es am 25. April 1626 zur Schlacht zwischen den Norddeutsch-Dänischen unter dem Grafen Mansfeld und den Kaiserlichen unter den Feldherrn Wallenstein und Aldringen. Die ersteren wurden geschlagen. Sie gingen nach Norden zurück. Es war dies der erste militärische Erfolg in der Laufbahn des Feldherrn Wallenstein. Die Norddeutsch-Dänischen besetzten nun erneut Potsdam und den Elb-Havel-Winkel. Die Stadt Nauen wurde ein zweites mal von ihnen besetzt. Wieder gewaltsam. Diesmal aber wurde sie einen Tag später sogar angezündet, nicht aus Versehen, sondern bewußt ließen die Truppen alle Häuser innerhalb der Stadt abbrennen. Und sie drohten auch den umliegenden Dörfern mit demselben Schicksal. Noch bevor sie jedoch zu ihrer glorreichen Tat schreiten konnten, wurden sie nach Westen abgezogen.

März 1627 - Nochmals: Versenkt die Pritzerber Fähre, die Kaiserlichen kommen!

Nun waren die Havelländer aufgerüttelt und rechneten noch im Herbst 1626 und schließlich im Frühjahr 1627 mit erneuten Einfällen von Westen, und zwar sowohl dänischer Truppen als auch Wallenstein'scher Truppen unter dem Herzog von Lüneburg. Nach den gemachten Erfahrungen versuchte das Havelland diesen gegenüber eigene Bürgermilizen aufzustellen (2, S. 29f):

Bereits Mitte März zeigten sich einige Soldaten des Lüneburgers vor Rathenow. (...) Sie wurden natürlich nicht eingelassen. Doch hielt man es für gut, alle Pässe von diesem Vorfall zu benachrichtigen und die Pritzerber Fischer zu veranlassen, ihre Kähne auf das rechte Havelufer zu schaffen und die Pritzerber Fähre zu versenken.

Die märkische Verteidigungslinie an der Havel gegen Westen stand unter dem Befehl des kurbrandenburgischen Obristlieutenant Adam von Redern. Und an den genannten gegenseitigen Benachrichtigungen wird deutlich, daß die Menschen auf allen Dörfern des Havellandes, insbesondere an den Flüssen direkte Anweisungen in Zusammenhang mit der Kriegsführung erhielten und daß sie in diese aktiv einbezogen waren. Die Bewohner waren - zumindest zu Beginn dieses langen Krieges - nicht nur passiv Erleidende, sondern aktiv und zornig Handelnde, soweit es in ihrem Rahmen möglich war - und zumeist auch im Einklang mit den Anweisungen der einheimischen, kurbrandenburgischen Regierung. von Redern zog mehrere hundert Mann Miliztruppen aus allen havelländischen Städten zusammen und ließ sich auch nicht von dem Herzog von Lüneburg beschwatzen, Lüneburgische Truppen zur Sicherung der Havellinie aufzunehmen. In diesen Zeitraum fällt vermutlich das Handeln der Bauern des Dorfes Schlagenthin, einem Dorf zehn Kilomter westlich von Bahnitz nahe bei Kleinwusterwitz (4):

Ein Lüneburg'sches Regiment streifte plündernd bis Milow, Böhne, Vieritz, als es nun mit Beute beladen bei Schlagenthin die Stremme passieren wollte, versperrten bewaffnete Landleute ihnen den Weg, schlugen die Reiter in die Flucht und nahmen ihnen die Beute ab.

Also auch auf dem Lande war man nicht besonders bedenklich darin, gegen diese Truppen vorzugehen. Vom Folgetag ist aber zu erfahren (4):

Am anderen Tage wurde ein Colloredo'sches Regiment beauftragt, die Stremmeniederung bei Schlagenthin zu befestigen.

April 1627 - Die Kaiserlichen nehmen Schlagenthin, Plaue, Brandenburg und Rathenow

Befehlshaber dieses Regiments war der Obrist Rudolf Reichsgraf von Colloredo-Waldsee (1585-1657) (Wiki), der Angehörige eines bekannten österreichischen Adelsgeschlechtes (das noch heute bekannte Nachkommen hervor bringt). Drei Jahre zuvor schon war er um seiner militärischen Verdienste willen von Kaiser Ferdinand II. zum Reichsgraf ernannt worden. Und ein Jahr zuvor schon hatte das Regiment Colloredo im Harzgebirge den Widerstand der sogenannten "Harzschützen" (Wiki) gebrochen (5), einer dortigen bäuerlichen Widerstandsbewegung. Daß Bauern - insbesondere am Anfang des Krieges - aktiv in die Kriegsführung einbezogen waren und von sich aus aktiv tätig wurden, ist aus vielen Teilen Deutschlands bekannt, mit diesem Zitat also auch aus dem Elb-Havel-Winkel. Aber solchem Widerstand war meist nur kurzzeitig Erfolg beschieden. So auch hier (2, S. 31):

Schon am 10. April 1627 griff der kaiserliche Obristlieutenant von Bodendiek mit einigen ausgesuchten Korporalschaften des Regiments Colloredo überraschend Plaue an.

Ohne Geschütze kam er zunächst nicht zum Erfolg. Als er aber am Folgetag mit 4000 Mann und fünf Kanonen erneut zum Angriff ansetzte, ließ der kurmärkische Befehlshaber Plaue sogleich räumen, da sich ihm der Widerstand von vornherein als zwecklos darstellte. Die hölzerne Havelbrücke wurde zerstört und verbrannt, dennoch gerieten kurbrandenburgische Fußtruppen in Gefangenschaft. Plaue wurde geplündert und der Vormarsch war kaum aufgehalten worden. Denn einen Tag später wurde die Altstadt von Brandenburg ohne Widerstand von den Kaiserlichen besetzt. Die Neustadt von Brandenburg setzte den Kaiserlichen allerdings heftigen Widerstand der Bewohner entgegen. Die Kaiserlichen unternahmen einen Sturmangriff auf die Stadt und konnten sie nehmen (2, S. 32),

nachdem die Bürgermeister Freund und Zieritz, die die Bürger zum Widerstand angefeuert hatten, schwer verwundet worden waren.

Die Neustadt Brandenburg war damals die reichste aller havelländischen Städte.

Abb. 2: "Abbildung der Stadt und Thumbs Havelberg, so von den Denmarckischn verlassen und von den Keys. eingenomen wordn.1627."

Nun wurde auch Rathenow von den Kaiserlichen besetzt. Zu einem heftigen Gefecht kam es rund um die Stadt Havelberg. Denn die dänischen Truppen hatten dort am 26. April den Domberg genommen und sich auf ihm verschanzt. Die Kaiserlichen verschanzten sich bei Sandau an der Elbe und auf der Stadtinsel von Havelberg. Aufgrund der Beschießung der Stadtinsel durch die Dänen vom Domberg aus brannte schließlich die ganze Stadt Havelberg ab und konnte von den dänischen Truppen eingenommen werden.

April 1627 - Kampf um Havelberg

Im dortigen Museum (Prignitz-Museum) kann man noch heute den sehr genauen Bericht des damaligen Pfarrers von Havelberg zur Kenntnis nehmen über diese ganzen Geschehnisse. Die Dänen besetzten auch den Rhin-Paß bei Fehrbellin und die Stadt selbst. Dieser Rhin-Paß sollte noch in den Folgejahren oftmals in die Hände unterschiedlicher Kriegsparteien gelangen und umkämpft sein. so etwa 1636.

Der Bürgermeister der Altstadt von Brandenburg wurde 1627 von dem kaiserlichen Obristen Hans von Götze auf einen Esel gesetzt, als dieser sich über das Benehmen seiner Soldaten beschwerte (2, S. 34). Die Städte und Dörfer mußten Korn liefern und riesige Geldsummen zahlen. Zur Geschichte der Stadt Rathenow wird etwa berichtet (6, S. 224f*)):

Wallenstein kehrte (...) in die Mark zurück und wählte alles Flehens um Verschonung ungeachtet, dies ausgemergelte Land zum Winterquartiere für seine wilden Horden. In der Mitte des Novembers ward Rathenow und das Havelland vom Oberst Hebron mit 10 Compagnien belegt, deren Stab nach Brandenburg kam. Es mußten demselben monathlich 7700 Gulden geliefert werden. "Wie die Kaiserlichen mit den Märkern umgingen" - sagt die Chronik in Rathenow - "das hat noch kein Mensch so kläglich beschreiben können, daß es nicht noch viel ärger daselbst hergegangen wäre." (...) Die gemeinen Soldaten begnügen sich nicht mit dem Solde, den ihre Obern erpreßt hatten; sie raubten Kleider, Geld, Lebensmittel, wo sie dergleichen fanden; sie erbrachen Kirchen und Gruften und stahlen, was nur einigen Werth hatte; sie holten die Pferde aus den Ställen, das Korn aus den Scheunen und Böden; sie prügelten die Widersprecher, erschossen was sich zur Wehre setzte, zündeten oft noch die ausgeleerten Gebäude an, und überließen sich ihren viehischen Lüsten, besonders gegen das weibliche Geschlecht, ungescheut.

Noch ein anderes Regiment des Wallensteins'schen Heeres, das des Obersten Georg Wolmar von Fahrensbach (Wiki), der zu Tisch der Kurfürstin und des Kurfürsten in Berlin eingeladen war, um ihn zu besänftigen, und der dort nur wüste Drohreden und Beleidigungen ausstieß, nahm seinen Weg schließlich von Brandenburg über Nauen nach Fehrbellin (Gebauer 1896, S. 143):

Sein Zug durch die Mark darf als ein Muster der (..) Zickzackmärsche gelten; er ging von Cottbus über Krossen, Frankfurt, Beeskow, Berlin, Treuenbriezen, Brandenburg, Nauen und Fehrbellin in die Prignitz und ward allerorten durch die furchtbarsten Ausschreitungen gekennzeichnet. 

Er trieb es so übel und es langten so viele Beschwerden bei Wallenstein ein, das dieser in Briefen über seine Absetzung als Regimentsführer nachdachte, ihm damit auch drohte, sich dann aber doch nicht dazu durchrang, da er Sorge hatte, daß das von ihm geführte Regiment dann zum Feind überlaufen würde. Ende 1627 hielten die kaiserlichen Truppen schließlich fast ganz Norddeutschland besetzt. Im Frühjahr 1628 begann Wallenstein mit der Belagerung der Stadt Stralsund.

1629 - Das Restitutionsedikt

Wenngleich diese Belagerung erfolglos war, erließ Kaiser Ferdinand II. am 6. März 1629 sein berühmt-berüchtigtes "Restitutionsedikt". Das hatten ihm natürlich seine jesuitischen Beichtväter eingeflüstert. Es war von einer solchen Härte, daß es zwangsläufig kriegsverlängernde Wirkung haben mußte. Es ist auch ein deutliches Zeugnis dafür, mit welchem Fanatismus die Jesuiten ihre Ziele verfolgen: Alle katholischen Kirchengüter, die im Zuge der Reformation ihren Besitz gewechselt hatten, das heißt, säkularisiert worden waren, sollten an die katholische Kirche zurück gegeben werden, es sollte also die Zeit um hundert Jahre zurück gedreht werden (Wiki):

Das Edikt hätte bei Befolgung für die Eigentumsverhältnisse innerhalb des Reiches enorme Konsequenzen gehabt, da in großem Umfang Enteignungen und Rückübertragungen ehemals katholischen Besitzes die Folge gewesen wären. Das Edikt fachte den Konflikt zwischen dem katholischen Kaiser und den evangelischen Fürsten und Ständen erneut an und trug zur weiteren Eskalation des Krieges bei.

So wurde dieses Edikt denn auch zu einem der Hauptanlässe für das umfangreichere Eingreifen des protestantischen, schwedischen Königs Gustav II. Adolf (1594-1632) (Wiki) in den Krieg. Er sah weitsichtig voraus, daß auch der Protestantismus in Schweden bedroht wäre, wenn er in Deutschland vernichtet worden wäre.

1630 - "... weil sie auf dem Lande nichts mehr zu leben finden"

Wie es zu jener Zeit auch im Elb-Havel-Winkel stand, zeigt ein Schreiben des Feldherrn Wallenstein vom 26. Dezember 1630 an den Kurfürsten von Bayern, in dem er schrieb,

"daß eine Einschließung Magdeburgs seine Schwierigkeiten hat, weil die Truppen auf dem Lande nichts mehr zu leben finden."

(zit. n. 7, S. 31). Er schrieb das schon 18 Jahre vor dem Ende des Krieges. Womöglich schon das ein Zeugnis dafür, daß Wallenstein mit dem harten Vorgehen der katholischen Länder gegenüber den Protestanten nicht mehr ganz einverstanden war. Im Jahr 1630 sterben im Haveldorf Milow viele Menschen an der Pest (8). 

April 1631 - Radewege wird niedergebrannt

Anfang April 1631 erwarteten die Brandenburger Bauern den Rückzug der Kaiserlichen Truppen unter dem General Tilly aus Mecklenburg nach Brandenburg. Der Hauptverbindungsweg zwischen den Städten Rathenow und Brandenburg-Alt- und Neustadt, über den die meisten Truppenverschiebungen erfolgten, führte damals nicht - wie heute - entlang der Dörfer am rechten Ufer der Havel (Mögelin, Premnitz, Döberitz, Gapel, Pritzerbe), sondern von Rathenow direkt zu einem "Paß" nördlich des Dorfes Seelensdorf (2, S. 287). Dieses Dorf liegt heute abgelegen im Wald nördlich von Pritzerbe. Hier endet ein Zweig des nördlich gelegenen Großen Havelländischen Luch. Einen mit Auto befahrbaren Weg von Seelensdorf direkt Richtung Rathenow gibt es heute nicht mehr. Von Seelensdorf aus führte der Weg damals dann direkt nach dem Dorf Hohenferchesar östlich des Pritzerber Sees. Auch diese direkte Verbindung gibt es heute - zumindest für das Auto - nicht mehr. Von Hohenferchesar führte der Weg dann nach Brandenburg.

Von Norden aus gesehen links dieses Weges lag das Dorf Radewege am Beetzsee. Es liegt - von Bahnitz aus gesehen - hinter der Havel noch einmal 13 Kilometer Richtung Osten, bzw. zwölf Kilometer nördlich der Stadt Brandenburg. Auch zu diesem Dorf gab es im 19. und 20. Jahrhundert von Bahnitz aus verwandtschaftliche Beziehungen*). Auch dieses Dorf hat sicherlich nicht außerhalb des Gesichtskreises der Bahnitzer schon im 17. Jahrhundert gelegen. Sein Schicksal gehörte deshalb sicher auch zum Erfahrungshintergrund der Bahnitzer Bauern. Und auch die Bauern in Radewege hatten inzwischen hinzu gelernt.

Ein Beobachtungsposten der Radeweger Bauern befand sich auf der waldigen Anhöhe nördlich von Radewege mit Blick auf Hohenferchesar und Marzahne. Dort konnte Ausschau gehalten werden, um rechtzeitig melden zu können, ob und wann die kaiserlichen Truppen angezogen kämen. Am 3. April 1631 wurde Radewege vom Schicksal ereilt. Ob nach zeitgenössischen Berichten oder in einer nachempfundenen Erzählung, jedenfalls wird von folgendem in der Dorfchronik (n. 9, S. 31f) berichtet: Die Bauern hatten alles schon vorbereitet, um mit Vieh, Lebensmitteln und Wertgegenständen in die nahen Wälder zu flüchten. Eine Staubwolke im Norden machte klar, daß es tatsächlich so weit wäre. Der Beobachtungsposten lief ins Dorf zurück, warnte die Bauern und diese verließen mit Sack und Pack auf kürzestem Wege das Dorf in die nächstgelegenen Wälder. Die heranziehenden Truppen fanden nur noch das verlassene Dorf vor. Sie erschlugen eine alte, zurückgelassene Frau und ihren Sohn und brannten das ganze Dorf nieder.

Ein fast alltägliches Geschehen in jenen Jahren.

Abb. 3: Zeitgenössische Radierung von Hans Ulrich Franck (1590/95-1675) (Wiki)
(Weitere Bilder zum 30-jährigen Krieg etwa: hier.)

Die Kaiserlichen zogen von Rathenow aus weiter hin gen Magdeburg, um dort noch viel glorreichere Heldentaten zur Ehre Gottes zu vollbringen. 

Mai 1631 - "Zur höheren Ehre Gottes" - Die 20.000 Einwohner Magdeburgs werden ermordet

Eine sehenswerte Fernseh-Dokumentation über die vielleicht entscheidendste Phase des Dreißigjährigen Krieges, ist 2014 ausgestrahlt worden (10). Sie behandelt die Belagerung von Magdeburg und das entsetzliche Massaker, in dem 20.000 seiner Einwohner ermordet wurden im Mai 1631. Sie behandelt die tiefe Niedergeschlagenheit der Protestanten Deutschlands und der Welt nach diesem Ereignis. Und dann die Wende: Gustav Adolf II. von Schweden siegt in der Schlacht von Breitenfeld gegen das katholische Würgerheer, das ganz Deutschland wieder katholisch gemacht hätte, wenn Gustav Adolf nicht eingegriffen hätte. In verschiedenen Varianten zu recht überliefert ist deshalb der Spruch, der auf dem Gedenkstein noch heute auf dem Schlachtfeld von Breitenfeld bei Leipzig steht:

Glaubensfreiheit für die Welt,
rettete bei Breitenfeld,
Gustav Adolf, Christ und Held.

Noch heute ist dieses gesamte Geschehen sehr bewegend. Gustav Adolf scheint als Mensch für seine Zeiten ungewöhnlich human gewesen zu sein. Während die Soldaten unter den Feldherren vor und nach ihm plünderten, raubten, vergewaltigten, mordeten, wo sie nur konnten, hat Gustav Adolf sehr sorgsam auf Zucht und Ordnung in seinem Heer gesorgt. Das zeigen viele seiner Anweisungen (2, S. 55ff). Sehr sorgsam und verantwortungsbewußt ging er als Militär vor. Das sieht man schon an seiner außerordentlich umsichtigen Vorbereitung des Havellandes zwischen den befestigten Städten Rathenow, Spandau, Potsdam und Brandenburg, in das er sich zur Not zurück ziehen wollte, falls die vorhersehbare Entscheidungsschlacht gegen die Kaiserlichen weiter südlich zu seinen Ungunsten ausgehen würde. Aus dieser umsichtigen Vorbereitung hat sich zum Beispiel auch die erste gründliche topographische Karte des Havellandes erhalten, die der Kartograph des Königs, Olof Hansson Svart (1600-1644) (Wiki) (CERL) aus diesem Anlaß angefertigt hat (2, S. 287) (Abb. 4). Sogar die Wasserstände der Havel wurden sehr sorgsam eingetragen, um zu wissen, an welcher Stelle der Feind Furten zum Übergang durch den Fluß nutzen könnte. Wie es scheint, war Gustav Adolf in vielem seiner Zeit voraus. Und soweit man das übersehen kann, hat kein Feldherr sonst des Dreißigjährigen Krieges so umsichtig gehandelt, war auch um die kranken Soldaten seines Heeres so besorgt, war darum besorgt, daß sie ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt waren, ohne daß die Bürger und Bauern, die die Nahrung liefern mußten, unnötig und über Gebühr dadurch belastet wurden. So alles wörtlich seinen Anweisungen zu entnehmen (2). Auch scheint er sich bewußt gewesen zu sein, wie viel von dem militärischen Erfolg seines Unternehmens abhing. Er war keineswegs ein leichtfertiger Draufgänger.

Das gerade erst geschehene Schicksal Magdeburgs hatte ja auch allen nun mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt, was auf dem Spiel stand. Es war zum Menetekel des 30-jährigen jesuitischen Rekatholisierungskrieges geworden. Die "Magdeburger Bluthochzeit" (Wiki) war zu einem Symbol der Schreckensherrschaft der Jesuiten und ihres Kaisers über Deutschland geworden, eines Kaisers, der - wie oben schon gesagt - "lieber über eine Wüste denn ein Land voller Ketzer" herrschte. Magdeburg lag 75 Kilometer vom Elb-Havel-Winkel entfernt. Damals war sie eine der reichsten Städte Europas. Auch ein Jahrhundert später noch sollten die Bauernsöhne der Jerichower Landkreise in Magdeburger Regimentern Dienst leisten. Am Beginn des 17. Jahrhunderts hatte Magdeburg 35.000 Einwohner. Daß Magdeburg am 20. Mai 1631 durch die Rekonquista- und Konquistadoren-Truppen der katholischen Generale Tilly und Pappenheim erobert wurde, lag insbesondere an dem Zaudern und Zögern der Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, mit Gustav Adolf ein Bündnis einzugehen. Ohnmächtig stand der Schwedenkönig bei Brandenburg als Magdeburg vernichtet wurde. In heutigen Zeiten würden Tilly und Pappenheim als die Inkarnation von Kriegsverbrechern gelten. Sie ließen - im Geiste des religiösen Fanatismus - dem Morden ihrer Truppen freien Lauf. Zur höheren Ehre Gottes: Fast alle Bewohner der Stadt wurden ermordet. Nur wenige tausend, vielleicht sogar nur wenige hundert überlebten (Wiki):

Mit 20.000 (nach anderen Angaben bis zu 30.000) Toten gilt dies als das größte Einzelmassaker des Dreißigjährigen Krieges.
Beziehungsweise (Wiki):
Nach der Katastrophe wurden von den einst 35.000 Einwohnern noch 449 gezählt.
Und diese Bluttaten fanden auf ganz bewußten Willen der beiden Feldherren hin statt. Sie verboten erst nach zwei Tagen das Morden. Kriegsverbrecher Pappenheim schrieb in einem Brief am Tag nach der Eroberung die jubelnden Zeilen:
„Ich halt, es seyen über zwaintzig Tausent Seelen darüber gegangen. Es ist gewiß, seyd der Zerstörung Jerusalem, kein grewlicher Werck und Straff Gottes gesehen worden. All unser Soldaten seind reich geworden. Gott mit uns.“
Hier spricht abartiger Gotteswahn. Während aber nun selbst nicht-tatbeteiligte Katholiken vor dem entsetzlichen Schicksal Magdeburgs schauderten, war die Reaktion des Papstes in Rom eine ganz klare und eindeutige (Wiki):
Papst Urban VIII. verfaßte am 24. Juni ein Schreiben, in dem er seine Freude über die „Vernichtung des Ketzernestes“ zum Ausdruck brachte.

Solche Vorgänge sind Teil unserer Geschichte. Tilly und Pappenheim wurden Denkmäler errichtet, die noch heute in München und Wien in den dortigen jeweiligen Feldherrnhallen "bestaunt" werden können. Diese Denkmäler sind gewiß nicht mehr zeitgemäß. Aber es ist klar, daß das Schicksal der Stadt Magdeburg das protestantische Europa aufs Heftigste erschütterte und aufrüttelte. Von allen Seiten zogen die Protestanten dem Schwedenkönig zu, der unter diesen Umständen mehr als je zuvor als "Befreier" und "Retter" empfunden wurde und werden mußte. Solche Freiwillige kamen insbesondere auch aus dem Elb-Havel-Winkel. Durch diesen zog nämlich nun der Schwedenkönig. Im Juli 1630 war Gustav Adolf mit einem Heer in Pommern gelandet (Wiki):

Er eroberte das von kaiserlichen Truppen gehaltene Frankfurt an der Oder im Sturm, um die anrückende kaiserliche Armee zu sich herzulocken. Die marschierte aber auf das mit Schweden sympathisierende Magdeburg zu und begann mit einer Belagerung. Die daraus folgende Katastrophe von Magdeburg, 1631, konnte er trotz Entsendung von Dietrich von Falkenberg nicht verhindern, obgleich die Stadt sich auf seine Unterstützung verlassen hatte und Gustaf Adolf mit dem zögernden brandenburgischen Kurfürsten um Durchmarschrechte für eine Entsetzung der Stadt verhandelte. Dieser Mißerfolg nutzte aber dem schwedischen König, indem der Schock über die brutale Eroberung Magdeburgs die anfangs zögerlichen deutschen protestantischen Fürsten auf seine Seite trieb und er sich in einer Allianz mit dem Kurfürstentum Sachsen und der Landgrafschaft Hessen-Kassel verbünden konnte.

Juli 1631 - "Überall gingen junge Landleute zu den schwedischen Fahnen als Freiwillige"

Zunächst (6, S. 231f):

Ein schwedisches Observationskorps unter den Obersten Ortenberg, Baudis und Holle ging in Jerichow am 13. Juni über die Elbe. (...) Am 28. und 29. Juni marschierte der König selbst mit der Armee über Plaue und Rathenow nach Jerichow, passierte mittels Schiffsbrücke bei Tangermünde die Elbe und bezog hier ein Lager.

Von Jerichow aus schrieb Gustav Adolf am 2. Juli an einen seiner Feldherrn, daß seine Truppen gestern Tangermünde erobert hätten, und daß er hier an der Elbe so "mächtig schöne Quartiere" und "so viele hübsche Städte" gefunden hätte ("mäkta sköne qvarter" und "så många vackra städer") (2, S. 65). Gustav Adolf hatte also auch Schönheitssinn. Auch ein solcher scheint mir von nur wenigen Feldherrn des Dreißigjährigen Krieges überliefert zu sein. Noch heute empfinden wir Jerichow und Tangermünde als schöne Städte. Das Dorf Hohenziatz, 30 Kilometer südlich von Genthin, wurde  dann zum Ausgangspunkt des weiteren Feldzuges des Schwedenkönigs, nachdem er die Landkreise Jerichow durchzogen hatte (4):

Am 23. Juli (Juni?) 1631 trat Gustav Adolf seinen Marsch in den Elb-Havel-Winkel an, erstürmte von Jerichow ausgehend Tangermünde und trieb die Tilly'schen Scharen nach Sachsen. In der Altmark und in den Jerichow'schen Kreisen wurden frische Truppen angeworben, sein letztes Heer- und Werbelager war in Hohenziatz am 24. August 1631. Am 22. August zog ein starker Heereshaufen von Havelberg-Rathenow-Premnitz über die Havel nach Milow und von dort nach Hohenziatz, überall gingen junge Landleute zu den schwedischen Fahnen als Freiwillige.

(s.a. 2, S. 70) Gustav Adolf konnte die Kaiserlichen endlich im September 1631 bei Breitenfeld nördlich von Leipzig vernichtend schlagen. Ganz Süddeutschland stand ihm offen und er zog von Stadt zu Stadt wie ein Befreier.

November 1632 - Gustav Adolf tot!

Aber im Jahr 1632 brannten auch die Schweden in Brandenburg Dörfer nieder. Das Nachbardorf von Radewege, Brielow, wurde mehrfach geplündert und schließlich vollständig zerstört. Und so ging es weiter (4):

1632 brannten die Schweden bei ihrem Zuge durch die Jerichow'schen Lande Schmetzdorf, Sydow, Wust und Melkow, das erstere ganz, die anderen teilweise nieder. Der in Schmetzdorf wohnende Pfarrer Heinrich Köppen, welcher außer Schmetzdorf noch Böhne, Bützer und Milow zu betreuen hatte, zog nach Milow, weil Schmetzdorf niedergebrannt war.

Nachdem die jesuitisch beratenen Eliten des katholischen Europa gemerkt hatten, wie sehr sie in Bedrängnis geraten waren und sich nicht mehr anders zu helfen wußten, ernannten sie den 1632 entlassenen Feldherrn Wallenstein ein zweites mal zum Oberbefehlshaber. Gustav Adolf wußte, daß ihm damit ein ebenbürtiger Gegner gegenüber stand und ging wieder sehr umsichtig vor. Im November 1632 kam es zur Schlacht bei Lützen. In dieser wurde der "Löwe aus dem Norden", Gustav Adolf von Schweden, getötet. Nach einer Untersuchung geschah dies durch einen Schuß in den Rücken aus nächster Nähe, das heißt, aus weniger als sechs Meter Entfernung (Wiki). Der Feldherr Wallenstein, der inzwischen für Deutschland vermutlich ebenfalls einen ausgleichenden Frieden erreichen wollte, wurde zwei Jahre später, 1634, in Eger ermordet.

Abb. 4: Oluff Hansson Swartt - Karte des Havellandes, Ausschnitt (1632) - In der Mitte des Ausschnittes ist nördlich des Pritzerber Sees ein Straßenpaß bei Seelensdorf eingezeichnet

Auf den Rat seines politischen Beraters, des kaiserlich-katholischen Grafen Schwarzenberg und gegen den Rat der Mehrzahl der brandenburgischen Geheimen Räte löste Kurfürst Georg Wilhelm Ende Juli 1635 sein Bündnis mit Schweden und schloß wieder ein Bündnis mit dem Kaiser (2, S. 77). Schwarzenberg hatte ihm gesagt, daß die Schweden ihm Land und Kurfürsten-Würde nicht nehmen könnten, der Kaiser aber schon (11, S. 206). Eine maßgebliche Rolle spielte, daß Kurfürst Georg Wilhelm fürchtete, das Herzogtum an Schweden zu verlieren, wenn er im Bündnis mit Schweden bliebe. Dessen letzter Herzog war alt und kinderlos und der Kurfürst der nächste Erbe. Aber zugleich war voraussehbar, daß in einem Krieg mit Schweden das Land Brandenburg zum Hauptkriegsschauplatz werden würde. Und so war es auch. Der Kurfürst von Sachsen wurde nun zum Hauptgegner der Schweden, Brandenburg zum Hauptkriegsschauplatz. Insbesondere im Dezember 1635 kam es zu Kämpfen der Sachsen mit den Schweden um den Fehrbelliner Paß. Am 14. Dezember 1635 hielt der Pfarrer im Schlagenthiner Kirchenbuch fest (zit. n. 7, S. 31):

"In diesem Jahr haben wir viel erleiden müssen von den Kaiserlichen, Schweden und brandenburgischem Kriegsvolk."

Im Januar 1636 fanden die schwedischen Truppen im Havelland keine Gegenden mehr, in denen sie nicht Hunger leiden mußten. Deshalb wurde die Entscheidung getroffen, den Krieg nach Sachsen zu tragen. Die sächsischen Truppen mußten folgen (2, S. 83). Doch schon im März 1636 kamen erneut sächsische Truppen von der Oder her in Havelland zurück. Brandenburg und Rathenow waren ständig umkämpfte Städte. Zwischen beiden Städten zogen ständig Truppen beider Seiten hin und her.

1636 - Die Kirche in Bahnitz wird geplündert

Da ist es kein Wunder, daß in diesem Zusammenhang auch das womöglich ansonsten eher abgelegene Haveldorf Bahnitz von seinem Schicksal ereilt wurde. Vermutlich haben ja die hungernden Truppen auch immer abseitigere Wege eingeschlagen während ihrer Verschiebungen, um sich aus dem Landes selbst ernähren zu können. Am 3. Juli 1636 hatten die sächsischen Truppen erneut Magdeburg eingenommen und rückten weiter nach Norden vor (2, S. 88). Und dort kam es einmal erneut zu einer der größten Schlachten des Dreißigjährigen Krieges, nämlich zur Schlacht bei Wittstock (Wiki):

Am 4. Oktober 1636 besiegten 16.000 Schweden unter dem schwedischen Feldmarschall Johan Banér und dem schottischen Feldmarschall Alexander Leslie das vereinte, 22.000 Mann starke kaiserlich-kursächsische Heer.
Der Rückzug der Kaiserlichen ging in eine ungeordnete Flucht über (12, S. 88):
Eiligst zogen die Verbündeten nach Magdeburg, wo sie sich trennten; Hatzfeld zog nach Halberstadt, um den General Götz aus Westfalen an sich zu ziehn, der Kurfürst ging nach Meißen. Baner eroberte dagegen im Oktober die Werbner Schanze, ging dort über die Elbe und besetzte Sangerhausen.
Die Werbener Schanze liegt zehn Kilometer nördlich von Havelberg, Sangerhausen am Harz. Noch zehn Jahre später deuten sich die Geschehnisse, die in diesem Zusammenhang auch in Bahnitz statthatten, in einem Akteneintrag des Bahnitzer Kirchenpatrons in Kützkow vom 2. Januar 1646 an (zit. n. Gaubatz):
"Nach dem vor 8 oder 9 Jahren wie die Schlacht vor Witstock gehalten worden, die Kirche zu Bahnitz ihre Kirchenrechnung und Kirchenbuch verlohren, auch seithero keine Rechnung gehalten, auch nichts von den Kirchengeldern abgetragen worden, als seind heute der Pfarr H. Martinus Kohl, Jacob Schultze, Andreas Meinike als Gottesvater vor mir erschienen und der Kirchen ihr Einkommen dergestalt angedeutet (...) Der Priesterwerder ist in 12 Jahren nicht gemehet worden, undt der vorigen Priester nachgelassene Erben geben nichts zum besten, weil sie in den betrübten Kriegswesen umb alles kommen, derwegen man zu keiner Bezahlung gelangen kann. Der andere Werder ist auch nicht gemehet worden."

Die durch die Heumaht eingenommenen Gelder dienten als Einnahme der Kirchengemeinde. Und offenbar fehlten für die Heumaht immer noch die Arbeitskräfte. Gericke (Jerchel) berichtet:

In Bahnitz wurde vor vielen Jahren ein Bauernbackofen abgerissen, hinter einem halben Ziegelstein befand sich im Mauerwerk eine Lücke, in der eine Anzahl von Münzen, meist aus Silber, aus der Zeit des 30-jährigen Krieges gefunden wurde.

Das Schlagenthiner Pfarrhaus brennt ab

Im Kirchenbuch von Schlagenthin und Kleinwusterwitz schrieb der Pfarrer (zit. n. 4):

"Anno 1635, 36, 37, 38 keine Eintragungen, weil die gottlosen Soldaten mir beraubet." - "Die Pfarre ist abgebrannt, das vom Pastore Salomon Schröder 1577 angefertigte Kirchenbuch ist mit abgebrannt." - "1636 ist Joachim Hahno und Trine Arends auf 26. November unterm Lindenbaum bei den Zornbuben repulsiert wurden."
Was das heißt, wird nicht ganz deutlich. Weiter:
"anno 1636 wie es mir und meynen Patronen von Treskowen und meistem Vaterland Rathenow ergangen, weißt aus mein Diarin."

Allgemeiner wird berichtet (4):

Undurchdringliche Wälder und Sümpfe umgaben Schlagenthin, welche sich bis Milow hinzogen. Nur ein passierbarer Weg zog sich von der Elbe über Demsin nach Vieritz, dann von der Havel über Milow-Jerchel bis Schlagenthin. Kam nun der Feind in Sicht, dann wurden die Wägen bespannt, mit der Habe beladen, und fort ging es dem Walde und der sumpfigen Stremme zu. In wenigen Minuten war das Dorf leer. Herein rasselten die schweren Eisenreiter, marschierte das Fußvolk, gefolgt von einem Troß Weibern und Zigeunern. Die Häuser wurden nun von oben bis unten nach Eßbarem, nach Geld, Kleidern usw. durchsucht, die Ställe nach etwa noch vorhandenem Vieh. Irgendwie noch anwesende Bewohner zwang man durch allerlei grausige Martern, versteckte Wertsachen anzugeben, wollten oder konnten sie es nicht, dann martete man die Unglücklichen zu Tode. Das Stroh wurde teilweise von den Dächern gerissen und die Häuser vielfach vernichtet. So erging es den Bewohnern Milows viele Male im Kriege.
Abb. 5: Auf der Grundlage der handgezeichneten Karten von Oluff Hansson Swartt erschienen in den Niederlanden bald auch Karten in Druck, hier "Marchionatus Brandenburgicus" von Jan Janssonius (1647) - Auffallend wohl auch, daß die Karten weder in Schweden noch in Brandenburg zuerst im Druck erschienen

Im März 1637 starb der letzte Herzog von Pommern Bogislav XIV.. Der Erbfolge nach mußte Pommern nun an den Kurfürsten von Brandenburg fallen. Das Land hatten aber die Schweden in Besitz, die es im Kampf mit den Kaiserlichen verteidigten. Diese Situation führte dazu, daß sich der Kurfürst von Brandenburg aufraffte. 

1638 - Kardinal Richelieu hintertreibt Friedensmöglichkeit

Ende 1637 nahm er General Hans Caspar von Klitzing (1594-1644) (Wiki) in Dienst, der zuvor in schwedischen und sächsischen Diensten gestanden hatte:

Im Jahr 1638 sammelte der Kurfürst (von Brandenburg) die Truppen in Neustadt-Eberswalde.

Leopold von Ranke hält fest (11, S. 207f):

Der Kurfürst von Brandenburg (...) erließ Besitzergreifungspatente und veranstaltete Werbungen, um mit dem heranziehenden kaiserlichen Heere zugleich das Herzogtum, wo sein Recht ein altanerkanntes war, in Besitz zu nehmen. (...) Im Frühjahr 1638 gelang es den Brandenburgern unter Klitzing, der mit einer für diese Zeit ansehnlichen Kriegsmacht, 2000 Mann zu Fuß, 400 Dragonern, erschien, die Stadt Gartz (an der Oder), auf deren Besitz man von jeher vielen Wert legte, in raschem Anlauf zu erobern und den schwedischen Befehlshaber gefangen abzuführen.

So wurde Gartz an der Oder (Wiki) im Februar 1638 von den Brandenburgern eingenommen. Damit rückte die Möglichkeit zu einem Friedensschluß näher, wie Ranke ausführt (11, S. 208)

Man versichert, in Schweden würde damals eine für beide Teile erträgliche Abkunft zu erreichen gewesen sein.

In die innerdeutsche Auseinandersetzung glaubte sich aber inzwischen auch der Kardinal Richelieu von Frankreich einmischen zu müssen, der ein Anwachsen der Habsburger Monarchie im Westen und Osten seines Landes zu verhindern suchte. Er ließ Schweden wesentliche Geldzahlungen zukommen. Ranke (11, S. 208f):

Durch die Subsidien, die Frankreich bot, wurde dann auch der schwedische Reichsrat, der ein Recht zu haben glaubte, das Erworbene zu behaupten, zu neuen Kriegsrüstungen vermocht. (...) Der schwedische General nahm ohne viel Mühe Gartz wieder in Besitz und schleifte es. An eine Wiedereroberung Pommerns für Brandenburg war dann nicht zu denken; den Kaiserlichen wurden die Schweden gefährlicher, als diese ihnen. 

Schon im Juli 1638 konnte Gartz also von den Schweden zurück erobert werden (12, S. 89). Immerhin konnte gleichzeitig der inzwischen weiter südlich operierende General Klitzing noch die Befestigungen des nördlichen Elb-Havel-Winkels in Besitz nehmen (12, S. 89):

Der brandenburgische General Klitzing eroberte im Juli und August Havelberg, Rathenow, die Werbener Schanze und Dömitz.

Ob Gustav Adolf so entschieden hätte? Oder ob die prunkvolle Hofführung der schwedischen Königin Christine, die später zum Katholizismus übertreten sollte, die Annahme dieser Subsidien mit beeinflußt hat? Insgesamt änderte sich für die Kurmark und den Elb-Havel-Winkel deshalb auch mit dieser kurzzeitigen brandenburgischen militärische Kraftanstrengung wenig. Der schon erwähnte Pastor Köppen von Schmetzdorf scheint sie kaum gespürt zu haben (4):

Im Jahr 1638 kam der kaiserliche Feldherr Gallas in unsere Heimat und nach seinem Abzuge der schwedische General Torstenson. (...) Pastor Köppen schreibt: "In diesem Jahr zog Gallas, fraß Menschen, sengete und brandte viel Dörfer ab, darauf zogen die Schweden durchs Land."
Ranke berichtet (11, S. 209):
Die brandenburgischen Streitkräfte lösten sich vollends auf, als der Kurfürst mit seinem Sohne seine Sicherheit in Preußen (gemeint: Ostpreußen) suchte. Schwarzenberg, der als Statthalter zurück blieb, hatte nun die Aufgabe, den provinzialen Krieg durchzuführen, der auf seinen Rat unternommen worden war. (...) Die Befehlshaber in den Festungen, die sich glücklicherweise noch hielten, waren meist seine persönlichen Anhänger. (...) Ein bitterer, verwüstender, hoffnungsloser Krieg war im Gange, als Georg Wilhelm starb. 

Der Kurfürst Georg Wilhelm starb am 21. November 1640. Sein 20-jähriger Sohn Friedrich Wilhelm trat die Nachfolge an. Er fühlte sich schon gleich nach Regierungsantritt bedroht von Mordanschlägen seines eigenen Ministers, des katholischen Grafen Schwarzenberg! So erzählte Friedrich Wilhelm noch zu häufigen Gelegenheiten gegenüber verschiedenen Menschen in seinem späteren Leben. Nur mit großer Mühe und diplomatischem Geschick - und schließlich aufgrund des plötzlichen Todes des Grafen Schwarzenberg - gelang es Friedrich Wilhelm, die Herrschaft über sein eigenes Land überhaupt vollständig in seine Hände zu bekommen. Ziemlich irre Zeiten.

1642 - Die Kaiserlichen gehen über die Havel - bei Bahnitz und Premnitz

Zum Jahr 1642 erfahren wir (2, S. 103f):

Noch einmal schien der Krieg über das Havelland mit aller Macht hereinzubrechen. "Im Februar wandten sich die Kreiß-Stände an den Statthalter Markgraf Ernst, da sie in Erfahrung gebracht, daß der Kaiserliche Generalissimus, Erzherzog Leopold Wilhelm, sein Hauptquartier zu  Zerbst genommen und den Obrist Sperreuter mit 7 Regimentern in der Zauche gelassen, von wo vermutlich die kaiserliche soldatesque ins Havelländische fouragieren und dem Kreise vielen Schaden tun würde; und baten, daß er an den [Spandauer] Commandanten und Obristen Hans Georg von Ribbeck Verordnung ablassen möchte, daß er von seinen unter sich habenden Völkern die Fähre Bellin und Lenzensche Mühle mit 15, Bötzow mit etwan 10, den Cremmischen Damm mit 15 Mann besetzen und auf den Baumgarten bey Geltow 12 Mann legen möchte, daß sie diese Örter so bewahrten, daß niemand von der Kaiserlichen soldatesque herüberkäme; ebenso möchte in gleicher Absicht eine halbe Compagnie zu Roß an den Havel Strom verlegt werden." Darauf gab der Statthalter am 15. Februar zur Antwort: "es sei mit den kleinen besatzungen, zumahl da die Kaiserlichen partien schon im Lande, auch zu Rathenow und an anderen Orten überkommen könnten, nichts auszurichten; so könte man auch des Volcks aus der Festung [Spandau] nicht entrathen: es sollte aber an den Erzherzog geschrieben werden u. um Verschonung des Havellandes nochmals Instanz geschehen. Wenn aber auch hierdurch nichts zu erhalten sein sollte, müßte man, was nicht zu ändern wäre, gehen lassen, wie Gott wollte; denn mit Gewalt es zu verhüten oder der Kaiserlichen Armee sich zu widersetzen, sei nicht thunlich."
Als Markgraf Ernst diese Antwort niederschrieb, hatten etliche Kaiserliche bereits die Grenzen des Havellandes überschritten. Bei Bahnitz und Pritzerbe waren sie über die Havel gesetzt.

So laut eines Schreiben der Neustadt Brandenburg vom 15. Februar 1642 geschehen (2, S. 104, Anm. 42). Man wird sich also zumindest bei dieser Gelegenheit Bahnitz, sowie seine Nachbardörfer, sowie das Gut Kützkow als Truppenlager vorstellen müssen, wo sich Soldaten mitsamt Troß einquartiert hatten. Je nach dem, wie schnell die Truppen und der Troß übergesetzt werden konnten oder sich übersetzen ließen, blieben sie hier einen oder mehrere Tage einquartiert und forderten von den Einwohnern, was sie etwa noch hatten: Getreide, Schlachtvieh, Pferde, Geld. Nach Möglichkeit versuchten die Einwohner die Soldaten über die geographischen Verhältnisse im Unklaren zu lassen, wie weiter zu erfahren ist (2, S. 104f):

Außerdem war (...) der kaiserliche Generalquartiermeister Zacharias Wegener in Brandenburg eingetroffen, um einmal die Proviantfrage zu regeln und zum andern die Verhältnisse des Havellandes zu erkunden. (...) Als Wegener die Brandenburger nach den Wegen und Pässen des Havellandes fragte, da antworteten diese, daß sie "wegen der Örter, Pässe und Moraste hetten keine Wissenschaft, weil anitzo, wegen des bösen Gewitters wohl Moraste weren, da sonst keine gewesen".
Schlaue Leute! Die Not gab ihnen diese Schlauheit ein:
[Dennoch] kamen bald größere Truppenmassen in Brandenburg an, die quer durch das Havelland nach Kremmen und dann weiter nach Gransee und Zehdenick zogen. (...) Plaue wurde von den Kaiserlichen in Brand gesteckt. Die schnell in Brandenburg und Rathenow einquartierten kurfürstlichen Truppen unter dem Hauptmann Strantz waren zu schwach, um Übergriffe der Kaiserlichen verhindern zu können.

Doch auch die Schweden erstarkten wieder. Plötzlich stand Torstenson wieder mit einer schlagkräftigen Armee an der Elbe (2, S. 105). Strantz ließ vorsichtshalber alle Kähne auf das rechte Havelufer schaffen. Auch die Bahnitzer und Kützkower werden bei diesem Anlaß wieder Anweisung erhalten haben, ihre Kähne auf die andere Seite zu schaffen und - womöglich - in abgelegenen Havelarmen im Schilf zu verstecken. Die Neustadt Brandenburg warb 25 Söldner auf eigene Kosten an, die beim Durchmarsch der Schweden für Ordnung sorgen sollten. Am 26. März 1642 kamen die Schweden wieder in Neustadt Brandenburg und forderten Verproviantierung.

Die Rathenower - "in die Wälder und Luche geflüchtet"

Womöglich lebten auch die Bahnitzer zu dieser Zeit schon mehr in Wäldern und Luchen als im Dorf selbst. Von Bahnitz aus bot sich vielleicht die Halbinsel Lutze als abgelegenes Versteck an, wo man sich mit Fischen am Leben erhalten konnte. Jedenfalls schrieb der Rathenower Cantor Joachim Triepke, der noch Zeitgenossen gekannt hatte, 1712 in seiner handschriftlichen Chronik von Rathenow (zit. n. Wegener, S. 242f):

Wie miserabel die Einwohner dieser Stadt und des Landes sich haben - wieder müssen abhelfen, das können die alten, so noch davon zu reden wissen, mit Thränen nicht genugsam bezeugen.

Daß sie mit Tränen davon sprechen, zeigt, daß die Bevölkerung stark traumatisiert gewesen sein muß. Ein Begriff, der fällt, ist "Trübsal". Wie man damals mit den flächengreifenden Traumata umgegangen ist, ist wohl noch wenig erforscht. Weiter schreibt Triepke:

Ich habe mir von solchen Leuten sagen lassen, die diese Drangsale selbst ausgestanden haben, daß sie sich in die Wälder und Luche retiriert haben mit ihren Kindern und Vieh, daselbst sie etliche Tage, ja Wochen und Monate, Kälte und Hitze, Hunger und Durst müssen aushalten, und haben sich doch nicht rühren dürfen, damit sie nicht von dem grimmigen Feind ertappet würden: doch hat sie oft das Vieh mit seinem Bläken oder das Geschrei der Kinder verraten, da sie denn mit grimmiger Gewalt hervorgerissen, geschlagen und gemartert, ausgezogen und ausgesogen worden. Welcher nun nach solcher Trübsal noch verborgen übrig geblieben und noch eine Kuh behalten, der hat mit selbiger den Acker zu bestellen wieder angefangen, ja Mann und Frau haben den Pflug gezogen, damit sie also sich des Hungers erwehren, und etwas von Korn einsammeln möchten, da sie so lange von Wurzeln, Laub und was in den Wäldern vorhanden, sich erhalten müssen. Die Häuser sind von Menschen ledig gewesen, weil sie wegen der großen Contribution und feindliche Beraubungen dieselbe zu bewohnen nicht mehr vermocht; daher waren sie bei dem Anwuchs der Bürgerschaft zu Rathenow wohlfeil, daß einer für 3 Thaler hat können ein Haus bekommen, das jetzt wenigstens 100 Thaler gelten muß. (...) Die Äcker und Wiesen sind bewachsen, und von der Zeit mit starken Eichen und Fichten gleichsam bepflanzt worden, so daß noch jetzt ganze Felder wüste liegen bleiben wegen der starken Holzung, die darauf stehet, welches man (auch jetzt noch) genugsam sehen kann, wenn man durch die Heiden reitet.

Man gewinnt den Eindruck: Noch 64 Jahre nach den Ereignissen - im Jahr 1712 - sind die Traumata schwer, so daß jene, die sie in ihrer Jugend erlebt hatten, noch immer nur schwer davon sprechen konnten.

1642 - "Im Gebruch und Wäldern bei Frost" versteckt

Wohin man aber blickt, ist das gleiche Geschehen zu beobachten. Das Dorf Gollwitz liegt zehn Kilometer östlich der Stadt Brandenburg. Im Jahr 1642 heißt es in einem zeitgenössischen Bericht, daß den Einwohnern

"nicht mehr denn das bloße Leben übrig geblieben, welches doch sehr vielen zu erhalten sauer worden, dann sie die ganze Zeit im Gebruch und Wäldern sich bei Frost aufgehalten, etliche wohl auch ganz ums Leben kommen und gar viele von den unbarmherzigen Parteien sind nieder gemacht worden."

Man liest solche Zeilen immer wieder erneut mit Ungläubigkeit. Vor allem die Allgegenwärtigkeit dieses Geschehens über mehrere Jahre hinweg kann man kaum glauben. Wenn man ehrlich ist, mußte man einen solchen historischen Roman wie den "Wehrwolf" von Hermann Löns - ohne solches Hintergrundwissen - eigentlich doch immer für eine Übertreibung halten. Dieser Roman hat die Verhältnisse aber offenbar doch sehr genau und ohne Übertreibung wiedergegeben. Für das gleiche Jahr verzeichnet der Schlagenthiner Pfarrer (zit. n. Schulze):

"1642 taten die Kayserlichen dem Stift Magdeburgk unüberwindlichen Schaden an Kirchen und Doerffern - den 6. Dezember ließen die Schwedischen Soldaten Mir nichts in der Scheunen an Korn."

1644 - Die Schlagenthiner müssen fliehen

Im Schlagenthiner Kirchenbuch ist vermerkt (zit. n. Schulze):

"1644, 10. Juny, da wir haben fliehen müssen, sind auf dem späten abend tauffet Magdalena Schmidt unde Stoffel Schildt - in diesem Jahr hat Gallas müßn wegen der Schwedischen weichen. auch dahero wir fliehen müssen den 18. juny, den 7. augustry und die 4 1/2 Woche in Premnitz herausgeblieben, auch den 6. Oktober, den 11. Novembris, den 25. Dez. in der heil. Christnacht. 1645 haben die aus Magdeburgk die Schwedischen so sich des vortages in Borgh geleget austreiben wollen, sich aber auf Thurm erhalten, dahero sie etliche Häuser angesteckt, vermeinet die Schweden vom Thurm zu treiben.

Womöglich ist hier die Rede von Geschehnissen in der Stadt Burg, die auf dem Weg nach Magdeburg liegt.

Winter 1647/48 - Hamburger Schiffer kaufen im Havelland Getreide auf und führen es nach England und Sizilien aus

In einem Schreiben vom Januar 1648 (2, S. 161)

beklagen sich die Viergewerke der Alt- und Neustadt Brandenburg über geschäftstüchtige Hamburger Kaufleute, die im Havelland Getreide kaufen und es ausführen, ohne es in Spandau, Potsdam, Brandenburg oder Plaue verzollt zu haben. Als Einschiffungsorte werden Milow, Pritzerbe, Tieckow, Briest und Ketzin genannt.

Wörtlich schreiben sie (zit. n. 2, S. 178, Anm. 9):

Da alle Handwerke und Handwerkinnungen zugrundeliegen [wohl gemeint: darnieder liegen] ... zu welchem Abgang der Nahrung dann sonderlich eine große Ursach ist und viele verderbet [wohl gemeint: weil die Handwerker nicht genug zu essen bekommen], daß etliche fremde Hamburger Schiffer, so allhie im Lande durch ihre vielfältige Margentenerei [Marketenderei?] die Schluhr [wohl: den Handel] gelernet und soviel darin erjagen, daß sie sich selber beschiffen und keiner Kaufleute Güter mehr zu führen bedürfen und begehren ... So legen sie ihre Schiffe den Winter über allhier an, streichen ferner herumb und sehen, worumb uff dem Lande ein Winspel Korn zu bekommen ...; das Korn bringen sie auf ihre Schiffe und machen allenthalben am Havelstrom wider Recht und Billigkeit neue Niederlagen ... das was unter den Zöllen zu Milau, Pritzerbe, Tiekau, Briest, auch zu Ketzin eingeschiffet, wird zu Spandau, Potsdam, Brandenburgk und Plauen nicht verzollet. Die Hamburger bringen das Getreide nach Spanien, Sycilien und Egellandt, wo dies Jahr nichts gewachsen ...

Hier ist natürlich von einem Geschehen im Herbst 1647 und Winter 1647/48 die Rede. Wenn das Havelland zu dieser Zeit Getreide schon wieder in so weit entfernte Gegenden exportieren konnte, werden die Adelsgüter und Dorfbewohner selbst wohl nicht mehr so sehr an Hunger zu leiden gehabt haben. Die hier genannten Ortschaften lagen allesamt auf der von Bahnitz aus gesehen anderen Havelseite. Aber natürlich werden diese Hamburger Schiffer auch in Bahnitz angelegt und Getreide aufgekauft haben. Vielleicht haben sich die auf den Dörfern übrig gebliebenen Bauern auch zunächst auf die Getreideproduktion konzentriert und nicht so sehr darauf, ihren Tierbestand wieder aufzubauen (etwa durch Heumachen auf den Havelwiesen, die ja bis dahin viele Jahre nicht gemäht worden waren - siehe oben). Hier wird außerdem deutlich, wie sehr die Flußwege schon damals auch recht bedeutende Handelswege gewesen sind.

Der zweitwichtigste Wirtschaftsfaktor nach der Getreideproduktion war übrigens das Bierbrauen. Jedes Dorf hatte seine Dorfkrüge (2, S. 178f). Und auch die durchziehenden Soldaten konnten ja offenbar ihr trauriges Soldatenleben nur aushalten, indem sie die Erinnerung an ihre Art zu leben immer wieder im Alkohol ertränkten. Die Handwerker der großen Städte (Berlin, Brandenburg) setzten übrigens einen nicht geringen Teil ihrer Waren und Dienstleistungen auf Märkten kleinerer Städte ab wie etwa Rathenow, Pritzerbe und so weiter. Dies war ihnen so wichtig, daß die Brandenburger Schuster schon 1641 ein Verbot erwirkt hatten, daß die Berliner Schuster auf diesen Märkten ihre Waren und Dienstleistungen ebenfalls absetzen konnten (2, S. 189).

August 1648 - Der Güsener Schulze versucht, sein Dorf zu retten

Aber im selben Januar 1648 war bereits der für Juni geplante Durchzug eines schwedischen Heeres über Schönhausen und Genthin Richtung Burg bekannt geworden. 17 Kilometer hinter Genthin liegt das Dorf Güsen (Wiki). 1640 waren dort schon acht Häuser nebst Scheunen und zwei Jahre später weitere zwölf Gebäude durch Feuer zerstört worden. 1648 hatten die Güsener ihre Höfe gerade erst ein Jahr zuvor wieder aufgebaut. Der Schulze Andreas Melmer aus Güsen schrieb an den Lehnsherren, den Möllenvogt in Magdeburg, einen Bericht über die Ereignisse vom 21. bis 23. August 1648. Dieser ist im Staatsarchiv Magdeburg erhalten geblieben und gewährt einen sehr anschaulichen Blick in die damaligen Verhältnisse (n. Willy Sack):

Danach haben sich von Montag Mittag bis Dienstag um dieselbe Zeit 1200 Reiter vom Leibregiment, die Jungen und Wagen nicht mitgerechnet, in Güsen einquartiert "und großen Schaden an Korn und Heuw gethan, welges noch hette zu vorwinden gewesen". (....) Die dichten Waldungen, die damals in viel größerem Maße den Ort umgaben, boten den Güsenern reichlichen Schutz. Und doch mußten sie immer tiefer hinein fliehen, da die Reiter, es sollen an 400 gewesen sein, enttäuscht über das leer vorgefundene Dorf, auch hier nach den Entwichenen suchten.
Der Schulze, der vom sicheren Waldrand aus das Geschehen beobachtet hatte, entschied sich schließlich dazu, mit fünf weiteren Güsenern zum Schutz des Dorfes in dasselbe zurück zu kehren. Er wird sogar vor den Obersten gelassen. Und dieser verlangt als erstes nichts anderes, als daß er die geflohenen Bauern herbei schaffen solle:
Da erzählt er nun, daß diese schon seit acht Tagen über die Hegell (Havel) seien.
Darunter wäre vermutlich zu verstehen, daß sie nach Osten über das 35 Kilometer entfernte Plaue auf die andere Seite der Havel geflohen wären. Natürlich war das eine Ausrede. Aber sie klang ja scheinbar glaubhaft. Solche Dingen kamen also vor:
Es wären auch zu unglückliche Leute, seit einem Jahre haben sie erst wieder aufgebaut wie die neu aufgeführten Gebäude erkennen lassen. (...) Nun soll er dem Obersten noch erklären, warum er im Forst bliebe. In geschickter Weise gibt er sich darauf als Holzfäller des Bischofs von Halle aus, dessen Besitz er erhalten möchte. Aber das würde ihm zu schwer gemacht, wie ja auch das Benehmen der Soldaten nicht zu verantworten wäre. Rücksichtslos raubten diese aus Scheunen das Heu und Stroh. In den Häusern suchten sie nach Schätzen, wobei sie Sachen, die sie nicht gebrauchen konnten, zerstörten. Nicht einmal die Kirche haben sie verschont. Den Altar haben sie geplündert, die als Behang verwendeten Tücher haben sie "alle zerrissen und schimpfiret". Zu solchem Vorgehen sollen die Güsener den Soldaten keinen Grund gegeben haben. Aber deren Wut über die Flucht der Einwohner war zu groß, und sie stellen dem tapferen Gemeindevorsteher gräßliche Strafen in Aussicht, wenn sie die Bauern finden sollten.

Der Schulze sah voraus, daß er aufpassen müsse, daß nach Abzug der Reiter die überall im Dorf noch glimmenden offenen Feuerstellen schnell gelöscht werden müßten, da sonst leicht doch noch ein Brand entstehen konnte. Zu seinem Leidwesen wurde er aber von dem Obersten als ortskundiger Führer mitgeschleppt, wie es den Bauern damals oft geschah. Die Abteilung zog ins sechs Kilometer entfernte Dorf Ihleburg (Wiki), wo der 1647 zum Oberbefehlshaber der schwedischen Truppen ernannte Pfalzgraf Carl Gustav (1622-1660) (Wiki) (im Text falsch "Carl August")(1656 wurde er König von Schweden), eine große Truppenparade abnahm. Nach dem Schulzen-Bericht (n. Willy Sack):

Prächtige Reiter, Wagen mit schönen Frauen und eine große Bagage waren seine Begleitung. Unser Berichterstatter gesteht, solche Pracht lange nicht gesehen zu haben.
Nach der Parade kehrte ein Teil der Reiter nach Güsen zurück, der Schulze mußte einen anderen Teil derselben aber nach der zehn Kilometer weiter gelegenen Stadt Burg führen. Als er nun dort um Entlassung bittet, erklärt der Obrist, wenn er ihm nicht zwei Faß Bier liefere, müsse er weiter mitziehen. Da ruft der Turmwächter von Burg, daß Güsen brennt. Der Schulze eilt mit hilfsbereiten Bauern in sein Heimatdorf, kann dort aber nur noch feststellen, daß 17 Gebäude in Asche liegen:
Nicht eine Garbe Roggen hatten ihnen die Schweden gelassen, der Hafer war ihnen vom Felde fortgeholt worden, da die Pferde der Reiter viel brauchten, die Gerste war zertreten und so überall größte Not. 

Der mit diesem Bericht schon am 24. August desselben Jahres angeschriebene Möllenvogt schickte daraufhin Saatgetreide und gewährte Steuererleichterungen.

Man wird sich auch klar machen müssen, daß Bahnitz damals nicht so abgelegen gelegen hat, als daß es nicht hätte geplündert und gebrandschatzt werden können. Noch hundert Jahre später sollte der Gutsherr von Goerne in einem Gerichtsverfahren gegen seine Bahnitzer Bauern damit argumentieren, daß die Havel bei Bahnitz doch "nur einen Büchsenschuß breit" wäre und daß die Bauern deshalb morgens ihre Pferde schwimmend von der anderen Seite der Havel holen würden, bevor sie mit ihnen zur Arbeit gingen. (Freilich ist im Sommer der Wasserstand der Havel am niedrigsten.) So hatten also auch berittene Soldaten die Havel überschreiten können, abgesehen davon, daß ja auch Bahnitz und alle Nachbardörfer mehrere Bauernfähren hatten, mit denen dann auch ganze Ackerwagen mit geplündertem Gut in beide Richtungen befahren werden konnten.

Auf beiden Seiten der Havel sind die Truppen während des Krieges zwischen Rathenow und Brandenburg nordwärts und südwärts gezogen, ostseitig über Pritzerbe, westseitig über Nitzahn. Bahnitz lag jedes mal nicht außerhalb der Reichweite der marschierenden oder Unterkunft suchenden Truppen. Und auch in Ost-West-Richtung war der Elb-Havel-Winkel Durchzugsgebiet, wobei die Havelübergänge bei Rathenow und Plaue die begehrtesten waren, wobei aber wie oben gesehen durchaus auch Bahnitz und Pritzerbe zum Übergang dienen konnten.

Friedrich der Große über die brandenburgische Politik im Dreißigjährigen Krieg

Der nachmalige preußische König Friedrich der Große (1712-1786) wird mit viel Berechtigung hundert Jahre später das folgende über die Regierungszeit seines Ururgroßvaters, des Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg (1595-1640) (Wiki), in der Zeit des 30-jährigen Krieges nieder schreiben (zum Teil auch zitiert in Hohmann/Unger 1999):

Seine Regierungszeit war die unglücklichste von allen Fürsten seines Hauses. Seine Staaten wurden im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges verwüstet, und die Spuren, die davon zurückblieben, waren so tief, daß man ihre Merkmale noch jetzt wahrnimmt, wo ich diese Geschichte schreibe. Alle Plagen der Erde stürzten mit einemmal auf die unglückliche Kurmark herab. An der Spitze stand ein unfähiger Fürst, der einen Vaterlandsverräter (Graf Schwarzenberg) zu seinem Minister gewählt hatte. (...) Das Land wurde von befreundeten und feindlichen Heeren überflutet, die gleichermaßen barbarisch hausten. (...) Das Elend erreichte seinen Höhepunkt, als die Bewohner, die dem Schwert des Soldaten entronnen waren, an bösartigen Seuchen zugrunde gingen.
(Zu dem hier erwähnten Vaterlandsverräter Graf Schwarzenberg siehe: Wiki.Der König gibt eine recht detaillierte Schilderung des Verlaufs dieses Krieges. Darin heißt es an einer Stelle unter anderem:
Der Kaiser war Sieger über seine Feinde und herrschte nahezu als Despot im Reich. (...) Während die Schweden sich zum Einfall in Deutschland rüsteten, hatte Wallenstein sich in der Kurmark festgesetzt und brandschatzte sie um Riesensummen. Es war unerhört, daß die Kaiserlichen ein befreundetes Land, dessen Fürst dem Kaiser keinen Grund zur Klage gegeben hatte, mit solcher maßlosen Härte behandelten. Wie beklagenswert die Lage Georg Wilhelms war, lehrt die Antwort, die er, wahrscheinlich sehr der Wahrheit entsprechend, auf die Einladung Kaiser Ferdinand II. zum Regensburger Reichstag gab. Er sagt darin: "Die Erschöpfung der Mark setzt mich außerstande, die gewöhnliche Ausgaben zu beschaffen. Noch viel weniger kann ich die Kosten für eine solche Reise aufbringen."
Und weiter schreibt Friedrich der Große dann über das Verhältnis Brandenburgs zum schwedischen König:
Der Kurfürst, der nicht mehr Herr im Hause war, stimmte allem zu, was der König von Schweden wünschte. (...) Es hieße gegen die Gesetze der Billigkeit verstoßen, wollte man Georg Wilhelm die Schuld für all das Unglück aufbürden, das während seiner Regierungszeit hereinbrach. Wenn er schwere Fehler begangen hat, so bestanden sie darin, daß er sein Vertrauen dem Grafen Schwarzenberg schenkte, der ihn verriet. (...) Er war katholisch und hatte immer für den Kaiser Partei genommen. (...) Vor allem muß man dem Kurfürsten vorwerfen, daß er nicht ein Heer von 20.000 Mann ausgehoben hat, bevor der Krieg seine Staaten verödete. Er wäre in der Lage gewesen, es zu unterhalten. (...) Die Truppen hätten dazu gedient, (...) seine Provinzen zu schützen. Wäre der Kurfürst solchermaßen gerüstet gewesen, so hätten Mansfeld und der Administrator von Magdeburg es nicht gewagt, durch das Kurfürstentum hindurch zu ziehen. Kaiser Ferdinand II. hätte in jeder Weise Rücksicht auf ihn genommen. Und es hätte nur von ihm selbst abgehangen, ob er der Verbündete der Schweden werden wollte oder ihr Feind, während er in Wirklichkeit der Sklave der ersten besten wurde.  

Von dem Augenblick an, da Georg Wilhelm diese Vorsorge versäumt hatte, ließ ihm die wunderliche Verwicklung der Umstände nur noch die Wahl zwischen Fehlern: er wurde gezwungen, sich für die Kaiserlichen oder für die Schweden zu entscheiden. Und da er schwach war, waren seine Verbündeten stets seine Herren. (...) 

Fortwährend schwankend, was er tun sollte, kraft- und machtlos, schlug er sich jedesmal, gutwillig oder gezwungen, auf die Seite des Stärkeren.
Natürlich sollten genau diese Fehler dann seine Nachfolger - der Große Kurfürst, der Soldatenkönig und Friedrich der Große selbst - nicht mehr begehen. Das A und O ihrer Regierungsmaxime hieß, ein starkes, stehendes Heer zu unterhalten und hierfür einen wirtschaftlich starken Staat aufzubauen, damit dieses Heer unterhalten werden könne. Der Große Kurfürst formulierte es 1667 folgendermaßen in seinem politischen Testament (26):
Solte auch der kayser von der Chron Schweden wegen des Polnischen vndt Denischen kriegs, (...) angegriffen werden, So hab[t] Ihr billig getreulich zu assistiren vndt musset Ihr nicht dabey stille sitzen, Sonderen Die wapffen alsouort ergreiffen, vndt Euch in gutter verfassung stellen, vndt alßdan gutte conditiones fur Euch vndt Eweren Staadt machen, Den das ist einmahll gar gewiß, wan Ihr darzu stille sitzen wurdet, vndt gedencken, Das feuer seie noch ferne von Eweren grensen: Ewere Lande Das theaterum sein wurden, Darauff man die tragedi Spillen.
Der Große Kurfürst sagte also seinem Nachfolger voraus, daß wenn er im Kriegsfalle sorglos sein würde, seine
"Lande das Theaterum sein wurden, darauff man die Tragedi spillen."

(25) (Zitiert mit Dank an Frank Göse, der am 22.3.2018 in Neuruppin einen Vortrag hielt zum Thema "Der 30jährigen Krieg in der Mark Brandenburg" und der auf dieses Zitat hinwies in Beantwortung einer Zuhörerfrage.) Im 20. Jahrhundert sollte man ein solches Denken "Militarismus" nennen. Es war aber doch offenbar nur der reinen Notwehr geschuldet. Offenbar liegt doch hier einmal der seltene Fall vor, daß ein Land tatsächlich "aus der Geschichte gelernt" hat. Und es scheint doch genau dieser Umstand gewesen zu sein, der dann den Staat Preußen geschichtlich so bedeutsam gemacht hat. Der zu einem Land wurde, das auch reichste kulturelle Errungenschaften tragen und hervorbringen konnte.

Abb. 5: Der Tod mit Narrenkappe - Allegorie auf den Dreißigjährigen Krieg

Wer einmal in eine Chronik der Stadt Rathenow an der Havel hinein schaut - in eine, die aus dem Jahr 1803 stammt - der wird übrigens finden, daß es fortschrittliche Bürger Preußens gab, die das Urteil ihres Königs vollständig teilten. Es handelt sich hier um die Stadtchronik des Feldpredigers Samuel Christoph Wagener (1763-1845) (Wiki), der sich auch sonst um die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Rathenow große Verdienste erworben hat. Schließlich hat er zusammen mit dem bedeutendsten Sohn der Stadt, Johann Heinrich August Duncker, im Jahr 1801 die "Königlich privilegierte optische Industrie-Anstalt" in Rathenow gegründet, die noch heute zu der wirtschaftlichen Bedeutung und Entwicklung Rathenows beiträgt. 

Der Rathenower Samuel Christoph Wagener über die brandenburgische Politik im Dreißigjährigen Krieg

In der erwähnten Stadtchronik schreibt Wagener noch deutlicher als vormals sein König (S. 219, 227) über jenen ...

ersten Staatsdiener, den frechsten Landesverräter, welchen je die Erde getragen hat, Graf Adam von Schwarzenberg, schwarzen Andenkens. (...) Der Kurfürst ahnte nicht, daß er in diesem Buben die giftigste aller Schlagen in seinem Busen nährte. Als eine Kreatur Ferdinands II. war er und dieser Kaiser die Quelle des unbeschreiblichen Elends, welches damals stoßweise sich über die Mark ergoß. (...) Nur einem Verräter mit Schwarzenbergs Teufelslist konnte es gelingen, den Kurfürsten abzuhalten, sich vom Tyrannenjoche Österreichs loszureißen.
Über das Schicksal Magdeburgs im Jahr 1631 schreibt Wagener:
Selbst der Feind schauderte vor Magdeburgs entsetzlichem Schicksal.

Es bedurfte eines zweiten dreißigjährigen Krieges (im 20. Jahrhundert), um die Region Preußen-Brandenburg wieder in jene geschichtliche Bedeutungslosigkeit zurück zu stoßen, die sie während des Dreißigjährigen Krieges innehatte. An den Worten dieser Stadtchronik wird recht gut erkennbar, wie sehr die Lehren des Dreißigjährigen Krieges Bürger und Herrscherhaus zu dem Willen zusammen geschweißt haben, auch als "des heiligen Reiches Streusandbüchse" lieber Amboß als Hammer zu sein im Weltenlauf.****)

Wie stand es damals um die Kultur im Havelland und im Kurfürstentum Brandenburg allgemein? In einer Zeit, in der in Italien, England, den Niederlanden und Süddeutschland Denker, Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler von höchstem Rang lebten und arbeiteten? Man denke nur an Giordano Bruno, an Shakespeare, an Rubens, Rembrandt und Johannes Kepler. Im Kurfürstentum Brandenburg hatte man zwar die durchaus bedeutende Universität Frankfurt an der Oder. Auch in der Stadt Brandenburg gab es mehrere nicht unbedeutende Lateinschulen. Aber in Brandenburg ist in dieser Zeit dennoch alles "Vorbereitung". Liest man etwa die wenigen überlieferten Dichtungen des Dompredigers von Brandenburg Martin Heins (1610-1667)(Wiki) (2, S. 239), so kann man sie nur als Vorbereitung lesen auf Dichtungen Klopstocks hundert Jahre später. Die Traumatisierungen wirkten womöglich so lange nach. Johannes Kepler könnte aber als Zeugnis dafür dienen, dass auch unter den ausserordentlich schwierigen Zeitumständen jener Zeit kulturelle Leistungen höchsten Ranges möglich waren. Dennoch: Das Abklingen und Nachlassen der Traumatisierungen hat womöglich erst hundert Jahre später wieder jenes gehaltvolle Seelenleben ermöglicht, aus dem allein künstlerisches Schaffen geboren wird, und aus dem auch Kepler heraus schuf und wirkte. Als erstes löste sich der traumatische Krampf bei den Deutschen wohl durch das Musizieren (Bach, Händel). Für die Kultur des Havellandes in jener Zeit bleibt festzuhalten (2, S. X):

Die von Schröer ursprünglich vorgesehenen Abschnitte über Wissenschaft, Kunst und Volkskunde (...) sind fortgefallen, da es schon Schröer nicht gelungen war, ergiebige zeitgenössische Quellen in nennenswertem Maße aufzuspüren.
Nachtrag (19.11.22): Es gibt noch weitere Darstellungen zum Thema, die in diesem Beitrag bislang nicht ausgeschöpft worden sind (27, 28) (von Raumer 1844, Gebauer 1869).


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*) Erinnerung an einen dortigen Verwandtenbesuch um 1980 an einem heißen Sommertag: Es beeindruckte die wirklich massenhafte Zahl von Fliegen in der Küche, die dort niemanden zu stören schien, die also als normal angesehen wurde, und die, wenn man etwa ein Stück Kuchen zum Mund hob, erst verscheucht werden mussten, bevor man es essen konnte. Die Fliegen standen, so konnte vermutet werden, in Zusammenhang mit dem großen Misthaufen vor dem Fenster, in der Mitte des großen, typischen brandenburgischen Bauernhofes, der damals dort noch bestand.
**) Verfasser war der Feldprediger und Mitbegründer der Optischen Industrie-Anstalt in Rathenow, Samuel Christoph Wagener (1763-1845) (Wiki).
***) Fritz Schröer (1913-1940), der in Nauen zur Schule gegangen war, hatte an der Universität Berlin Geschichte und nahestehende Fächer studiert, gehörte zum Schülerkreis von Willy Hoppe (1884-1960) (Wiki) und hat von 1933 bis 1939 an diesem Buch gearbeitet, das seine Dissertation werden sollte. Bei Kriegsausbruch 1939 wurde er sofort eingezogen und fiel am 25. Mai 1940 an der luxemburgisch-französischen Grenze. Seine Mutter bewahrte das Manuskript auf, die es nach dem Krieg Willy Hoppe überließ, aus dessen Nachlaß es dann veröffentlicht wurde.
****) Ergänzt sei, daß 26 Jahre nach dem Ende des 30-jährigen Krieges ein neuer Krieg mit Schweden ausbrach, in dem das Westhavelland erneut Mittelpunkt des Geschehens werden sollte. Der damalige Landrat des Kreises lebte auf dem Rittergut in Böhne an der Havel (Wiki). Dort versammelte am Vorabend des berühmten brandenburgischen Überfalls auf Rathenow (Wiki)    am 15. Juni 1675 der Große Kurfürst seine militärischen Führer, um den geplanten Überfall zu beratschlagen. Das dortige ansehnliche Gutshaus des Landrats heißt seitdem "Schwedenhaus" (Wiki) und ist heute das einzige übrig gebliebene Gebäude, das im Zusammenhang mit den damaligen Ereignissen stand. Dieser ersten Niederlage der bis dahin als unbesiegbar geltenden Schweden folgte die zweite in der "Schlacht bei Fehrbellin" auf dem Fuße. Und mit diesen beiden Ereignissen begann der Aufstieg der nachmaligen Großmacht Brandenburg, bzw. Preußen. Das langsam verfallende "Schwedenhaus" sucht heute nach einem Käufer, der es restauriert und - nach Möglichkeit - der Öffentlichkeit eine Erinnerung an die damaligen Ereignisse erlaubt.

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  1. Bading, Ingo: Der 4. Mai 1945: Das Kriegsende in den Dörfern des Havelbogens Möthlitz, Kützkow und Bahnitz Eine regionale Studie zu den letzten Kämpfen des Zweiten Weltkrieges. Auf: Preußenblog, 7. August 2011, http://preussenlebt.blogspot.de/2011/08/der-4-mai-1945-das-kriegsende-in-den.html oder http://studgendeutsch.blogspot.de/2011/08/der-4-mai-1945-das-kriegsende-in-den.html
  2. Schröer, Fritz: Das Havelland im Dreißigjährigen Krieg. Ein Beitrag zur Geschichte der Mark Brandenburg, neu ergänzt und herausgegeben von Gerd Heinrich. Böhlau-Verlag, Köln, Graz 1966 (325 S.)
  3. O'Brien, Cathy: Die TranceFormation Amerikas. Die wahre Lebensgeschichte einer CIA-Sklavin unter Mind-Control. Mosquito-Verlag, Immenstadt 2008
  4. Schulze, Ernst (Milow): Geschichte des früheren Domänenamtes und des Fleckens Milow. In 4 Teilen. In: Altmärkische Heimatbilder. Beilage zum "Altmärker", Nr. 6-9, 1929 
  5. Warlich, Bernd: Colloredo-Waldsee, Rudolf Graf. 8. Oktober 2012 auf: http://www.30jaehrigerkrieg.de/colloredo-coloredo-coloreto-coleredo-colredo-kolloredo-waldsee-wallsee-rudolf-rodolfo-graf-i/
  6. Wagener, Samuel Christoph: Denkwürdigkeiten der Churmärkischen Stadt Rathenow. Nicht bloß für Rathenower, sondern für Geschichts- und Vaterlands-Freunde überhaupt bearbeitet. Buchhandlung des Commerzienraths Matzdorff, Berlin 1803
  7. Kienscherf, Dietrich: Dorfchronik von Schlagenthin. 1991 
  8. Krüger, Andreas: Chronologische Daten zur Entwicklung des Dorfes Bützer, Stand 20.07.2007, http://www.dorf-bützer.de/die-chronik-von-b%C3%BCtzer.html 
  9. Arndt, Gerda: 675 Jahre Radewege. Chronik eines Dorfes am Beetzsee 1335-2010. Radewege 2010
  10. Voelker, Judith: Gustav Adolf II. - Der Kampf um Magdeburg. Reihe "Geschichte Mitteldeutschlands". MDR-Geschichte, 2014, https://www.youtube.com/watch?time_continue=135&v=yQkWqmFApqI
  11. Ranke, Leopold von: Zwölf Bücher preußischer Geschichte. 1878/79. Ausgabe: Emil Vollmer Verlag, Essen o. J. [zuerst als Neun Bücher preußischer Geschichte. 1847/48]
  12. Dreißigjähriger Krieg (Artikel). In: Pieper, H. A. (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit oder neuestes encyklopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe von mehr als 220 Gelehrten herausgegeben. 2. völlig umgearbeitete Auflage. Band 9. H. A. Pieper, Altenburg 1842 (GB), S. 72-99
  13. Riedl (Wusterwitz)/Horn, Ferdinand: Chronik der Stadt Plaue. 1871. Überarbeitet durch Albert  Deichgräber (und G. Lembke). 1942. Neu herausgegeben durch Kurt Michel. Als Manuskript, o.O., o.D. [etwa 2000]
  14. Heine, Walter: 625 Jahre Gemeinde Gollwitz. Gollwitz 2000
  15. Sack, Willy (Burg): Durchzug eines schwedischen Heeres durch das Jerichower Land im August 1648. In: QSG (Genthin): Chronik Jerichower Land. Als Manuskript, o.O.o.D. [nach 1997] 
  16. Triepke, Joachim: Rathenowgraphia. 1712
  17. Friedrich II., König von Preußen: Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg. 1748
  18. Löns, Hermann: Der Wehrwolf. Eine Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg. 1910
  19. Hohmann, Lew; Unger, Johannes: Die Brandenburger. Chronik eines Landes. be.bra verlag, Berlin 1999
  20. Gaubatz, Petra: Chronik der Gemeinde Möthlitz. Als Manuskript (Din-A-4). Möthlitz 1996 (zur Gemeinde Möthlitz gilt hier Bahnitz als zugehörig und ist gründlich und ausführlich mit behandelt)
  21. Gericke (Jerchel): Kulturhistorie. 5. Dorf Bahnitz. 10. Dorf Kützkow. Bebildert. Undatiert, als Manuskript 
  22. Milger, Peter: Gegen Land und Leute. Der Dreißigjährige Krieg. Vorgeschichte, Ursachen und Verlauf. C. Bertelsman, München 1998, http://www.milger.de/dkbilder.htm
  23. Bunsen, Dirk: Brandenburgs erster Vermesser. In: MOZ, 09.03.2011, http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/285487
  24. Scharfe, Wolfgang: Die Handzeichnung von Olof Hansson Svart. In: Die Schweden in der Mark. http://www.geog.fu-berlin.de/2bik/Kap2/index.shtml. In: Berlin-Brandenburg im Kartenbild. Ausstellung an der FU Berlin. http://www.geog.fu-berlin.de/2bik/index.shtml
  25. Engelbrecht, Jörg: Staat, Recht und Konfession. Krieg und Frieden im Rechtsdenken des Reiches. In: Horst Lademacher, ‎Simon Groenveld (Hg.): Krieg und Kultur. Die Rezeption von Krieg und Frieden in der Niederländischen Republik und im Deutschen Reich 1568-1648. Waxmann-Verlag, Münster 1998 (GB), S. 113-128, hier S. 128
  26. Dietrich, Richard: Die politischen Testamente der Hohenzollern. Politisches Testament Kurfürst Friedrich Wilhelm, Cölln a. d. Spree, 19. Mai 1667. In: Friedrich Benninghoven (Hg.): Veröffentlichungen aus den Archiven preußischer Kulturbesitz. Band 20. Köln, 1986, S. 179-204; erneut auf: http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/sub_document.cfm?document_id=3542, bzw.: http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/pdf/deu/4_PrussianMonarchy_Doc.2_German.pdf
  27. von Raumer: Wallensteins Auftreten in der Mark Brandenburg. Nach archivalischen Quellen. In: Berliner Kalender 1844, S. 261-, hier S. 281) (GB)
  28. Gebauer, Johannes Heinrich: Kurbrandenburg in der Krisis des Jahres 1627. Max Niemeier, Halle 1896 (Archive)